Dekanat Rodgau

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    Sommer-Radtour des Dekanats:

    „Ein Stück der großen Isenburger Vielfalt“

    privatStippvisite beim fairen Handel: Der Weltladen Neu-Isenburg war eine Station auf der Sommer-Radtour des Dekanats rund um die Hugenottenstadt.

    „Re(li)gion erfahren“ hieß es zum 11. Mal bei der Sommer-Radtour des Evangelischen Dekanats Dreieich-Rodgau. Sandra Scholz, ihres Zeichens Ökumene-Pfarrerin des Kirchenkreises, und der Seligenstädter Gemeindepädagoge Claus Ost hatten die Tour quer durch und rund um die Hugenottenstafdt Neu-Isenburg vorbereitet – in diesem Jahr ortskundig unterstützt von Mathias Volz.

    privatIn die gefiederte heimische Fauna führte Heinz Kapp von Nabu Neu-Isenburg die Teilnehmenden ein.

    „Auch die Flöhe und Wanzen gehören zum Ganzen.“ Mit diesem heiteren Ausspruch Johann Wolfgang von Goethes stimmte Heinz Kapp vom NABU Neu-Isenburg die Radler*innen auf die Vielfalt des Biotoplebens und damit auch auf mögliche Zecken in den Gräsern ein.

    Doch nicht nur kleine Krabbler waren zu finden, sondern vielmehr eine für den urbanen Verdichtungsraum Rhein-Main erstaunliche ornithologische Vielfalt: Silberreiher, die inmitten des idyllischen Biotops nach Futter suchten, Vogelrufe von Waldlaubsängern, Stimmen von Buntspechten, Amseln, Löffelenten, Eisvögeln, Kormoranen und so vielen mehr imitierte Heinz Kapp gekonnt. Begeistert berichtete er von deren erstaunlichen Fähigkeiten und sozialen Gefügen wie auch von der Geschichte und Gegenwart des Naturschutzgebietes. Kaum vorstellen mochten sich am Ende alle, dass dieses idyllische Fleckchen Erde einst einmal eine Altreifenentsorgungsstation der Stadt Frankfurt hätte werden sollen.

    Doch dann galt es aufzubrechen, denn die neuen Gastgeber warteten schon: Am Weltladen in der Innenstadt trafen die Tourteilnehmer*innen auf Stadtrat Dirk Wölfing und Ute Marschalk, Vorsitzende des Weltladens, mit ihrem Team. Hier erfuhren sie Interessantes wie Kurioses zur Geschichte Neu Isenburgs – etwa von den Hasenhaarschneidern und Hasenhaarfilzern, die nach der Textilrevolution im 19. Jahrhundert in Neu-Isenburg neue Erwerbsquellen aufgetan hatten.

    Der Weltladen der fairen Stadt feiert in diesem Jahr sein 15-jähriges Bestehen, und manch einer konnte sich schwer losreißen von der vielfältigen Produktpalette, die sich schon lange nicht mehr hauptsächlich auf Lebensmittel bezieht, sondern auf Schmuck, Dekorationsartikel und auch Infomaterial zu einer gerechteren Wirtschaftsordnung.

    „Wenn wir Klamotten anziehen, trocknen woanders die Seen aus“

    Frank Ullrich, Leiter der Abfallwirtschaft der Stadt Neu-Isenburg, erwartete die Gruppe am städtischen Betriebshof, und bald war auch hier eine engagierte Diskussion im Gang: Wie ist das nun eigentlich mit den gelben Säcken? Was wird wirklich recycelt, und wo werden die großen Container letztlich entsorgt? Auch hier gab es Neues zu erfahren: Etwa, dass eine Tonne Altpapier der Kommune inzwischen stattliche 280 Euro Erlös einbringt: Papier wird eben wie andere Ressourcen auch rarer.

    Dass die Biomasse der braunen Tonnen des Kreises Offenbach zu Biogas und schließlich verstromt wird, oder auch, dass „Fast Fashion“, also die schnelllebige Form des billigen Modekonsums, erkennbare Auswirkungen auch in Deutschland hat. Denn Kleidung, die früher sortiert und weiterverwertet wurde, lässt sich aufgrund der minderen Qualität der Fast-Fashion-Produkte auch im Kreis Offenbach nur noch verbrennen und hat doch zugleich anderswo in der Welt tausende Liter Wasser verschwendet. „Wenn wir hier Klamotten anziehen, trocknen woanders Seen aus“, brachte Ullrich das Problem auf den Punkt. 

    Vielfalt jüdischen Lebens damals und heute

    Jede Station für sich wäre es wert gewesen, länger zu bleiben – oder einfach zu anderer Gelegenheit noch einmal zu Besuch zu kommen. „Wir freuen uns immer“, sagte dazu Anna Held, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Neu-Isenburg, bei ihrer Führung durch die Seminar- und Gedenkstätte Bertha Pappenheim. 

    Seit 25 Jahren gibt es in der Stadt diesen Ort der Erinnerung an eine starke und außergewöhnliche Frau. Selbst Jüdin aus wohlhabendem Wiener Elternhaus, setzte Bertha Pappenheim sich für jüdische Frauen und Kinder ein, die in der Prostitution gelandet waren oder uneheliche Kinder hatten. Anfang des 20. Jahrhunderts waren sie damit von Armut und Obdachlosigkeit betroffen. Für sie gründete sie vier Häuser in Neu-Isenburg, wovon nur noch eines, Haus 2, noch steht.

    „Im Schutzraum des Heimes entstanden familiäre Gemeinschaften der Frauen und Kinder“, so Held. Auch viele von ihnen fielen dem Naziterror zum Opfer. Eine Stolperschwelle vor dem Eingang des Hauses weist die 77 Menschen aus, die in den Jahren von 1938 bis 1945 in die Vernichtungslager des Ostens deportiert wurden.

    Bertha Pappenheim selbst war bereits 1936 verstorben. Ihre Vision jedoch soll in der Arbeit der Seminar- und Gedenkstätte weiterleben. Dies geschieht in der Kindertagesstätte auf dem Gelände ebenso wie in der Beratung von Nachfahren der damaligen Frauen aus aller Welt, die Auskunft zu ihren Angehörigen suchen, und sicher auch in Gedenkmaterialien und Veranstaltungen, die auch die heutige Vielfalt jüdischen Lebens zeigen.

    Am Schluss der vielfältigen Tour durch die Hugenottenstadt erwartete die Radler*innen noch einmal der große Rundumblick. Mit Bereket Gaim, Mitglied des Kirchenvorstands der Marktgemeinde und Gemeindeleiter der eritreischen Christen-Gemeinde, die hier schon seit den 80er-Jahren beheimatet ist, stiegen die strapazierten Radlerbeine die Stufen zum Turm der reformierten Kirche hinauf und genossen am Ende des Tages einen weiten Blick, der auch symbolisch für das Erlebte stand: Ein Stück der großen Vielfalt und der ebensolchen herzlichen Gastfreundschaft in Neu-Isenburg wurde an diesem Tag für die Gruppe erlebbar.

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