Reformation und Leistungsgesellschaft
3 Fragen, 3 Antworten: Was sagt uns die Reformation heute?
DNY59/istockphoto.com27.10.2015 jl Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
privatDr. Christian Ferber ist Pfarrer der Ev. Stephanusgemeinde BensheimHerr Ferber, was bleibt uns nach fast 500 Jahren von der Reformation?
Christian Ferber: Wir haben in unserer Ego-Gesellschaft einen hohen Rechtfertigungsdruck und eine Selbstdarstellungsnot. Ich denke, anders als bei Luther haben heute aber die wenigsten Menschen das Problem, sich vor einem „gerechten Gott“ rechtfertigen zu müssen. Heute sagen die Leute: Gott ist doch lieb! Dafür sind andere Rechtfertigungsinstanzen hinzugekommen: Kann ich vor mir selbst bestehen? Oder bei Kindern und Jugendlichen: Kann ich vor meinen Eltern bestehen und vor meiner Clique?
Und wie komme ich da raus?
Christian Ferber: Die Rechtfertigungslehre Luthers bedeutet: Ich muss nicht perfekt sein. Ein im Leben geerdeter Glaube weiß: Gott schreibt uns einen Wert zu: „Du bist erst einmal okay.“ Damit beginnt ein längerer Prozess, der Rechtfertigungsprozess mit Fragen wie: „Warum muss ich ständig etwas leisten?“ Und das ist das Zentrum der Reformation. Alles andere, das deutsche Liedgut, die Sprache und was wir sonst noch feiern, gruppiert sich um diese Erkenntnis.
Und wie komme ich zu dieser Erkenntnis?
Christian Ferber: Wichtig ist, dass ich nicht schon immer alles besser weiß und besser kann. Besser ist, sich zu sagen: „Mach die Ohren auf, mach die Augen auf und rechne damit, dass Gott immer noch wirkt.“ Ich muss mich öffnen, damit etwas in mich hinein wirken kann. Auch wenn ich nicht immer genau verstehe, wie. Das gilt genauso auch schon für kleine Kinder. Wenn die im Kindergarten oder in der Schule nicht die Schnellsten oder Schlauesten sind, dann hilft es ihnen, wenn sie mal woanders gehört haben: Ich bin okay, ich habe Gott an meiner Seite und der beschützt mich auch!
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