Flüchtlingsdrama im Westerwald
Die Dodos werden nicht abgeschoben
Erika von Bassewitz01.08.2013 esz Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Das Flüchtlingsdrama im Westerwald hat ein glückliches Ende gefunden. Die syrische Familie wird vorerst nicht abgeschoben, schreibt die Evangelische Sonntags-Zeitung (ESZ).
Vater Idris Dodo sollte mit seiner Familie aus dem Westerwaldort Wirges abgeschoben werden. Sie sind Kurden aus Syrien und waren von dort 2008 nach Polen geflohen. Nach der Drittstaatenregelung des Schengener Abkommens kann Deutschland Flüchtlinge in ein sicheres Drittland abschieben, in das diese zuerst ihren Fuß gesetzt haben.
Allerdings ist Polen in diesem Fall gar nicht das Land der ersten Einreise. Denn die Familie Dodo war zwischenzeitlich nach Syrien zurückgekehrt. Dort verhafteten und folterten syrische Sicherheitskräfte den Vater. Nachdem er wieder freigekommen war, flohen die Dodos 2009 erneut. Diesmal direkt nach Deutschland, denn im Westerwald leben bereits Verwandte von ihnen.
Sofortige Abschiebung droht
Ende März steht frühmorgens die Polizei vor dem Domizil der Familie in Wirges. Abschiebung nach Polen, und das sofort. Der elfjährige Sohn läuft davon, entkommt den Beamten, die ihn mit Spürhunden und Hubschraubern suchen. Die Mutter weiß nicht, wo ihr Sohn ist, klappt weinend zusammen.
Die Polizisten befürchten, sie könnte sich etwas antun und bringen sie nach Andernach in die Psychiatrie. Den Vater mit den beiden Töchtern setzen die Beamten ins Auto und fahren sie in Richtung Polen. Auf der Höhe von Leipzig kommt das Stop-Kommando.
Der Pressesprecher zeigt mit dem Finger auf andere
Karl Kahn, der Pressesprecher des Westerwaldkreises, weist jede Verantwortung seiner Behörde von sich. „Die Entscheidung über eine Abschiebung trifft allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“, sagt er. „Unsere Ausländerbehörde hat damit gar nichts zu tun.“
Das stimmt aber nicht. Im Gegenteil, die Behörde in Montabaur trägt die Hauptverantwortung für das Flüchtlingsdrama. Zwar ist es richtig, dass die Entscheidung über eine Abschiebung nicht in Montabaur fällt, sondern beim Bundesamt. Dort wusste man aber gar nicht, dass die Familie Dodo nach ihrem Aufenthalt in Polen wieder in Syrien und von dort erneut geflohen war, diesmal nach Deutschland. Der Abschiebebescheid blieb also in Kraft. Das Papier blieb aber sechs Wochen lang in Montabaur auf dem Schreibtisch eines Sachbearbeiters liegen. Eine Aktennotiz machte der nicht. So konnte die Familie Dodo nicht auf den Bescheid reagieren.
Petition an den Bundestag
Andrea Weber hat unmittelbar nach dem Polizeieinsatz und der abgebrochenen Ausweisung eine Petition an den Bundestag gerichtet. „All dies ist weder eine menschenwürdige Vorgehensweise noch eine Vorgehensweise, wie sie unserer Bundesrepublik Deutschland würdig sein kann“, schrieb die Lehrerin des Evangelischen Gymnasiums Bad Marienberg. Am Tag danach wurde das Abschiebeverfahren ausgesetzt.
Ministerin kritisiert die Arbeit der Westerwälder Behörde
Irene Alt (Grüne), die rheinland-pfälzische Ministerin für Migration und Flüchtlinge, hat sich ebenfalls in diesen Fall eingeschaltet. In einem offenen Brief kritisiert die Ministerin die Arbeit der Westerwälder Behörde. „Es ist unbestritten, dass die Ausländerbehörde den Bescheid des Bundesamts vollziehen muss und keine eigene Entscheidung treffen kann, ob sie nun überstellt oder nicht. Dennoch bleibt sie verantwortlich für die Art und Weise, wie eine Überstellung durchgeführt wird. Hier sind Fehler passiert“, schreibt Alt.
„Die Familie Dodo ist hier integriert“, sagt Weber. „Der Vater hat Arbeiten für die Kommune erledigt, die Mutter ist in der evangelischen Kita Regenbogenland engagiert.“ In Polen dagegen kannten die Dodos niemanden.
Kirchenasyl angeboten
„Wir haben in unserer Kindertagesstätte Unterschriften dafür gesammelt, dass die syrische Familie bleiben darf“, berichtet Pfarrer Wilfried Steinke. „Wir haben den Dodos auch Kirchenasyl angeboten, aber dazu kam es nicht mehr.“ Denn mittlerweile ist klar: Familie Dodo darf in Deutschland bleiben.
Vor zwei Wochen erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis – zunächst befristet auf ein Jahr. Solange der Krieg in Syrien andauert, verlängert diese sich automatisch jeweils um ein weiteres Jahr.
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