Nachgedacht
Die Quarantäne als Passionszeit
globalstock/gettyimages.deAlleinsein kann auch gut sein11.03.2020 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
von Pfarrer Dr. Jeffrey Myers
In Zeiten des neuen Coronavirus assoziiert man das Wort „Quarantäne“ gleich mit einer ansteckenden Krankheit. Um eine Verbreitung der Krankheit zu verhindern, werden Menschen mit Verdacht auf ein ansteckendes Virus in Isolation versetzt, eben unter Quarantäne gestellt.
Quarantäne kommt von „40“
Weil aber der Ursprung des Wortes in Zeiten der Seuchen im Mittelalter auf die biblische Zahl „40“ verweist (quarantina di giorni) und das Sich-Zurückziehen in der Bibel berücksichtigt (vgl. 3. Buch Mose), bietet „Quarantäne“ als Begriff auch Anregungen für die Passionszeit. Denn die bewusste Entscheidung, sich für 40 Tage – zumindest innerlich – zurückzuziehen, liegt im Zentrum der Fastenzeit.
Interessanterweise deutet der Begriff cuarantena im spanischsprechenden Kontext auf die Wichtigkeit einer gewissen Zeit „alleine" für Mütter mit ihren Neugeborenen direkt nach der Geburt hin, was der Gesundheit und der Beziehung dienen soll.
Bonhoeffer riet zu Zeiten des Alleinseins
Gerade Zeiten des Alleinseins, sagte einmal Dietrich Bonhoeffer, dessen Todestag sich am bevorstehenden Gründonnerstag zum 75. Mal jährt, seien ungeheuer wichtig:
„Wer Gemeinschaft will ohne Alleinsein, der stürzt in die Leere der Worte und Gefühle… Christen, die nicht allein mit sich fertig werden können, […] hoffen in der Gemeinschaft anderer Menschen Hilfe zu erfahren. Meist werden sie enttäuscht und machen dann der Gemeinschaft zum Vorwurf, was ihre eigenste Schuld ist… Suchst du Gott allein, so wirst du Freude empfangen.“
Ferner regt das Wort Quarantäne – gerade in der Passionszeit – an, sich solidarisch zu zeigen mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen isoliert sind bzw. sich in Quarantäne befinden.
Zeigt Mitgefühl mit jenen in Quarantäne
Gefordert sind wir, unser Mitgefühl und unsere Betroffenheit zu zeigen, sei es durch eine Karte oder einen mit der Hand geschriebenen Brief über Amnesty International, sei es durch Gebet oder ein Geschenk. Sich während der 40 Tage der Passionszeit gedanklich oder physisch zurückzuziehen, schärft die Wahrnehmung für das Schicksal von Menschen, die sich ungewollt in Isolation befinden – wie den zahllosen Menschen, die zurzeit durch das Coronavirus infiziert sind oder unter Verdacht stehen, erkrankt zu sein.
Und die Passionszeit als Quarantäne schärft den Blick für denjenigen, der ab Palmsonntag zunehmend alleine nach Jerusalem geht, bis er schließlich alleine am Kreuz stirbt. Damit am Ende keine Quarantäne das letzte Wort behält.
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