Frauen in Ägypten
Filmtipp: Kairo 678 - Aufstand der Frauen
ArsenalfilmKrisengespräch zwischen Nelly, Seba und Fayza07.03.2014 evb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
ArsenalfilmFayza fährt nicht gerne BusDrei Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, drei Frauen mit unterschiedlichen Lebenskonzepten und einem gemeinsamen Problem. Fayza (Bushra Parwani) wird regelmäßig in überfüllten Bussen und auf leeren Straßen von aufdringlichen Männern belästigt. Dabei kleidet sie sich bereits bewusst unauffällig und traditionell mit Kopftuch, überweiten Kleidern und lose fallenden Röcken. Die wohlhabende Seba (Nelly Karim) trägt ihr Haar offen und kleidet sich figurbetont. Nach einem Fußballspiel wird sie Opfer einer Massenvergewaltigung. Nelly (Nahed El Sebaï) wollte nur die Straße zu ihrer Wohnung überqueren, als ihr ein Mann aus einem fahrenden Lieferwagen ins Dekolletee grapscht und die junge Frau mitschleift.
Schweigen und den Ruf der Familie retten
Jede Frau hat ihre eigene Art, auf die Geschehnisse zu reagieren. Seba setzt ihren verständnislosen Mann vor die Tür und gibt Selbstverteidigungskurse, Fayza greift zum Messer und Nelly erstattet Anzeige. Sie ist die erste Frau in Ägypten, die einen sexuellen Übergriff vor Gericht bringt. Selbst der diensthabende Polizist will ihr das ausreden und empfiehlt eine Anzeige wegen Überfalls. „Ich will doch ihren Ruf retten, “ erklärt er freundlich lächelnd. Auch für Nellys Familie und die Eltern ihres Verlobten ist es ein Skandal – wohlgemerkt ein Skandal, dass sie Anzeige erstattet, und nicht, dass sie belästigt wurde. Man muss ja auf den Ruf der Familie achten. Sebas Mutter erklärt kurz nach der Tat, Seba sei ja gar nicht vergewaltigt worden. Fayza fehlen die Worte ihrem Mann zu erklären, warum sie lieber Taxi als Bus fährt. Und warum sie sich seinen Näherungsversuchen konsequent entzieht.
Zu jeder Frau gehört ein Mann
Auf der anderen Seite stehen die Männer, die vor den Gefühlen und der Lage der Frauen die Augen verschließen. Einsam und unglücklich machen sie sich das Leben schwer und zerstören ihre Beziehungen. Sebas Mann musste machtlos mitansehen, wie seine Frau vergewaltigt wurde. Nun will er sie nicht mehr sehen, um nicht an sein Versagen als Beschützer erinnert zu werden. Damit aber verliert er sie vollständig. Auch Fayzas Mann ist bemüht – und verständnislos. Als er ihr Kosenamen auf der Straße nachruft, verprügelt sie ihn instinktiv.
Der Zitronen-Trick ist verbreitet
Die männlichen „Opfer“ von Fayzas Messerangriffen gehen ebenso wenig zur Polizei wie Frauen die Übergriffe durch Männer anzeigen. Denn damit würden sie sich selbst als Grabscher entlarven und ihrem Ruf schaden. Mit der verräterischen Zitrone in der Hosentasche bedarf es aber keines weiteren Geständnisses der Täter-Opfer.
Packend, beklemmend und realistisch prangert Regisseur Mohamed Diab die sexuelle Belästigung von Frauen in seinem Land an. Benannt nach der Buslinie 678, in der seine Hauptfigur Fayza täglich zur Arbeit fährt, zeigt er, wie sich die Problematik des Schweigens durch alle Gesellschaftsschichten zieht und in Gewalt mündet.
Keine Besserung in Sicht
Der Film von Mohamed Diab vermittelt dem Zuschauer ein beklemmendes Gefühl von der Lage der Frauen in Ägypten. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 2008. Damals hatte zum ersten Mal eine Frau offen über sexuelle Belästigung berichtet. Vor dem arabischen Frühling gedreht, kündigt der Abspann des Films ein neues Gesetz an, dass sexuelle Belästigung strafbar macht. Dennoch sollen laut Human Rights Watch in den letzten Jahren viele Männer insbesondere rund um den zentralen Tahrir-Platz in Kairo vermehrt Frauen sexuell belästigt und vergewaltigt haben. Auch das Auswärtige Amt weist explizit auf die Gefahr sexueller Belästigungen hin und schreibt weiter: „Die Polizei ist nicht immer willens und/oder in der Lage, hiergegen effektiv einzuschreiten.“
Titel: Kairo 678 - Aufstand der Frauen
Ägypten 2010, 100 Minuten Laufzeit
Regie und Drehbuch: Mohamed Diab
Darsteller: Bushra Parwani, Nelly Karim, Nahed El Sebaï
Geeignet ab 16 Jahren / FSK: ab 12 Jahren
Erhältlich in der Medienzentrale
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