Schule
Jung: „Religion ist das Fach für große Fragen“
Esther Stosch15.05.2013 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Foto: Roger TöpelmannDie Religionslehrerinnen und Religionslehrer aus den Schulamtsbezirken Gießen, Offenbach, Wiesbaden und Mainz werden durch den Kirchenpräsidenten Volker Jung bevollmächtigtWiesbaden, 15. Mai 2013. Mehr als 100 evangelische Religionslehrerinnen und Religionslehrer sind am Mittwoch (15. Mai) in der Wiesbadener Marktkirche in ihren Dienst eingeführt worden. Bei einem feierlichen Gottesdienst überreichte ihnen der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Dr. Volker Jung, die sogenannte Bevollmächtigungs-Urkunde. Die 118 Lehrkräfte stammen aus dem gesamten Kirchengebiet von Biedenkopf über Wiesbaden und Oppenheim bis Frankfurt. Sie dürfen nun mit allen Rechten und Pflichten evangelischen Religionsunterricht erteilen. In Deutschland erhalten evangelische und katholische Lehrkräfte neben der staatlichen Lehrbefähigung auch eine kirchliche Vollmacht, die es ihnen erlaubt, Religion zu unterrichten. Auch der Hessische Landtagspräsident Norbert Kartmann nahm an dem Gottesdienst teil.
Kirche geht in der Schule über Grenzen hinweg
Nach Worten von Kirchenpräsident Dr. Volker Jung ist die Bevollmächtigung kein Verwaltungsakt, sondern eine inhaltliche Beauftragung. Jungen Menschen werde durch den Religionsunterricht ein bestimmtes Weltverständnis vermittelt, das den Horizont erweitern könne. Nicht nur naturwissenschaftlich-technische Zugangsweisen zur Wirklichkeit seien entscheidend. Religiöse Deutungsmuster sind nach Ansicht Jung ebenfalls wichtig, um für die Zusammenhänge der Welt sensibel zu machen. Der evangelische Religionsunterricht erschließe „das Verständnis von Gott, Mensch und Welt in der jüdisch-christlichen Tradition“, so Jung. Der Religionsunterricht habe zudem eine wichtige Funktion für die Kirche. Jung: „Wir gehen dort immer über unsere Systemgrenzen hinaus. Auch wir lernen als Kirche in der Schule von der Schule.“
Bewusstsein stärken, von Gott getragen zu werden
In seiner Predigt bezeichnete Jung den Religionsunterricht als das Fach, bei dem es um die „großen Themen Gott, Menschen und Welt“ gehe. Dieser enge Zusammenhang zeige sich beispielsweise im biblischen Schöpfungsbericht. Er wolle nicht erklären, wie die Welt entstanden ist, sondern frage nach dem „Warum“ und „Wozu“. Er lade unter anderem dazu ein, „das Leben zu genießen“. Dies symbolisiere etwa der Ruhetag am Ende der Schöpfung. Der Schöpfungsbericht verweise damit darauf, dass alle Arbeit „im Bewusstsein und im Vertrauen von Gott getragen und gehalten zu sein“ geschehe. Er sei damit auch eine „Einladung zu einer tief gegründeten Gelassenheit durch den Glauben“, so Jung. Neben allem Einsatz und Engagement sei diese Gelassenheit wichtig, um in der Schule bestehen zu können. Der Religionsunterricht solle deshalb auch den Glauben stärken, „von Gott beschenkte Menschen zu sein“.
Über 6000 Religionslehrerinnen und Religionslehrer im Kirchengebiet
In der EKHN werden pro Jahr rund 200 bis 250 Lehrerinnen und Lehrer in zwei großen Gottesdiensten bevollmächtigt. Über 6000 Lehrkräfte unterrichten im Kirchengebiet evangelische Religion. Dazu kommen rund 950 Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer mit Auftrag im Schuldienst sowie 200 hauptamtliche Schulseelsorgerinnen und -seelsorger. Für die Förderung und Begleitung der religionspädagogischen Arbeit hat die EKHN fünf Kirchliche Schulämter und das Religionspädagogische Institut in Dietzenbach mit sechs regionalen Arbeitsstellen eingerichtet.
Hintergrund Religionsunterricht
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Hessische Verfassung garantieren das Recht auf konfessionellen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Damit übernimmt der Staat die Verpflichtung zur Einrichtung, organisatorischen Einbettung und personellen Absicherung des Religionsunterrichtes. Die inhaltliche Verantwortung für den Religionsunterricht gibt der Staat an die betreffenden Kirchen ab. Sie sind für die Themen der Lehrpläne, für die vermittelten Inhalte, für die verwendeten Unterrichtswerke und die fachliche Integrität und Qualität der Lehrkräfte verantwortlich. Gleiche Bedingungen gelten für den jetzt neu eingeführten islamischen Religionsunterricht, der aus Sicht der EKHN einen wichtigen Beitrag zur Integration der muslimischen Gläubigen in die Gesellschaft bei gleichzeitiger Wahrung ihrer Identität leistet und zur Weiterentwicklung des interreligiösen Dialogs beiträgt.
Unter anderem um die wechselseitigen Verantwortlichkeiten für den verfassungsmäßig garantierten Religionsunterricht zu dokumentieren, werden evangelische und katholische Lehrkräfte in Deutschland neben der Zuerkennung der staatlichen Lehrbefähigung auch mit einer kirchlichen Vollmacht ausgestattet. Im römisch-katholischen Raum heißt diese Vollmacht „missio“, die evangelischen Kirchen kennen unterschiedliche Bezeichnungen, etwa „vocatio“ oder wie in der EKHN „Kirchliche Bevollmächtigung“.
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