125 Jahre Martin Niemöller
„Martin Niemöller gehört zu Hessen-Nassaus Identität“
EKHNFestakt zu 125 Jahren Martin Niemöller in der Frankfurter Katharinenkirche15.01.2017 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Frankfurt, 15. Januar 2017. Den 125. Geburtstag ihres ersten Kirchenpräsidenten Martin Niemöller (1892 - 1984) hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau am Sonntag (15. Januar) in der Frankfurter Katharinenkirche mit einem Festakt begangen. Niemöller war von 1947 bis 1964 Kirchenpräsident der hessen-nassauischen Kirche und prägte sie mit seiner Persönlichkeit maßgeblich. Er gilt zudem als einer der profiliertesten kirchlichen Gegner der Naziherrschaft in Deutschland und überlebte einen achtjährigen Aufenthalt im Konzentrationslager. Nach der Gründung der Bundesrepublik protestierte der frühere U-Boot-Kommandant vehement gegen die Wiederbewaffnung des Landes und begleitete die politische Entwicklung Deutschlands bis zu seinem Tod 1984 immer wieder kritisch. Martin Niemöller stellte sein Handeln dabei stets unter die vielfach bekannt gewordene Leitfrage „Was würde Jesus dazu sagen?“.
Jung: Aus Frömmigkeit für den Frieden eingesetzt
Im Festgottesdienst bezeichnete der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung seinen Amtsvorgänger Niemöller als wegweisenden evangelischen Theologen, dem die „großen Aufgaben der Versöhnung und der Sicherung des Friedens besonders am Herzen lagen“. Sein gesellschaftspolitisches Engagement habe sich dabei vor allem aus einer tiefen Frömmigkeit heraus gespeist. So würden beispielsweise in seinen Predigen selten politische Themen direkt angesprochen. Die theologischen Texte blieben eine Enttäuschung für jeden Journalisten, der nach Schlagzeilen suche. Trotzdem seien seine Kanzelreden „zutiefst politisch“, weil sie dazu anregten, nach den Konsequenzen der biblischen Botschaft im persönlichen und gesellschaftlichen Leben zu fragen. In diesen Zusammenhang gehört nach Jung auch Niemöllers immer wiederkehrendes Leitfrage „Was würde Jesus dazu sagen?“. Diese richte den Blick auf die besondere Verantwortung, Not und menschliches Leid nicht zu verdrängen, „sondern sich aus dem christlichen Glauben heraus für ein friedliches Zusammenleben einzusetzen“, so Jung in seiner Predigt m Festgottesdienst.
Warnung vor einfachen Antworten ist aktuell
Durch die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus hat Niemöller nach Worten Jungs zudem die Einsicht gewonnen, dass sich Menschen nicht von „einfachen Rettungs- und Erlösungsphantasien“ verführen lassen dürfen. Angesichts eines zunehmenden politischen Populismus in Deutschland und der Welt sei dies eine „erschreckend aktuelle Dimension des Denkens von Niemöller“, sagte Jung. Eine seiner zentralen Positionen sei es gewesen, nicht in einer Fixierung auf die „abendländische Kultur“ das Heil zu sehen. Stattdessen sei „Umkehr zu Gott und Hinkehr zum Nächsten in der Kraft des Todes und der Auferstehung Jesu Christi“ - so Niemöller wörtlich - Aufgabe und Gabe des Glaubens . Dies habe er mit anderen zusammen im seinerzeit umstrittenen „Darmstädter Wort“ von 1947 deutlich formuliert, das als Schuldbekenntnis und Ruf zum Neuanfang nach den kirchlichen Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus gedacht war.
Oelschläger: Markante Persönlichkeit und Quertreiber
Der Präses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Ulrich Oelschläger bezeichnete Niemöller, als „markante Persönlichkeit aus dem Kirchenkampf und eine Quertreiber“. Durch seine Moskaureise in den 50er Jahren, der Annahme des Lenin-Friedenspreises der UDSSR oder wegen seines Widerstandes gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands und dem Streit mit dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer anlegte habe er seinerzeit zwar viele irrtiert. Die hessen-nassauische Kirche nehme Niemöller aber gerade deshalb bis heute zu Recht „für den Geist des Widerspruchs und der Kritik an Strukturen“ für sich in Anspruch. Oelschläger: „Martin Niemöller, gehört bis heute zur Identität der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“, sagte Oelschläger in seiner Begrüßungsansprache.
Ueberschär: Glaubwürdiges und konsequentes Handeln
Bei dem Jubiläum in der Frankfurter Katharinenkirche würdigte die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags, Ellen Ueberschär, Martin Niemöller „als prägende Gestalt“ der Kirchentage im Nachkriegsdeutschland. „Seine unverwechselbare Stimme ist für viele Teilnehmende in allen Jahrzehnten der Kirchentagsgeschichte ein Symbol für Glaubwürdigkeit und konsequentes Handeln aus christlichem Gewissen gewesen“, erklärte Ueberschär in ihrem Festvortrag. Bis heute habe er bei vielen Christinnen und Christen eine hohe Wertschätzung. Für viele sei sein Wirken herausragend, will er „Entwicklungen klar analysiert und Konsequenzen ergriffen hat“. Wichtiges Merkmal seine zudem „seine Angstfreiheit und die Glaubwürdigkeit seiner Frömmigkeit“, gewesen, die es ihm ermöglicht hätten „jederzeit seine Position zu äußern und mit ungewöhnlichem Mut auftreten zu können“. Eine solche Gewissensfreiheit ist nach Ueberschär die „beste Voraussetzung für einen streitbaren und ertragreichen 3. Ökumenischen Kirchentag“, der 2021 in Frankfurt am Main stattfinden wird.
Heymel: Neue Niemöller-Biograpie
In der Festveranstaltung wurde auch eine neue Biographie über den Theologen erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft präsentierte in der Katharinenkirche „Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer“ des Autors Michael Heymel. Der Niemöller-Kenner erzählt in seinem Werk die erstaunliche Emanzipation eines Mannes im 20. Jahrhundert, der vom kaiserlichen Marineoffizier zum Widerstandskämpfer und Pazifisten wird.
Zur Person Martin Niemöller
Martin Niemöller wurde am 14. Januar 1892 in Lippstadt / Westfalen als Pfarrerssohn geboren. Er schlug zunächst die Seeoffizierslaufbahn ein und wurde im Ersten Weltkrieg U-Boot-Kommandant. Danach studierte er Theologie und wurde später Gemeindepfarrer in Berlin-Dahlem. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war er seit 1933 in führender Rolle für die regimekritische „Bekennende Kirche“ tätig. 1937 wurde er verhaftet. Später musste er als persönlicher Gefangener Adolf Hitlers acht Jahre in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau verbringen. Nach dem Ende des Krieges wurde Niemöller 1945 zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland und Leiter des kirchlichen Außenamts. Er wirkte maßgeblich bei der Entstehung der Stuttgarter Schulderklärung 1945 und des Darmstädter Worts 1947 mit, in denen die evangelische Kirche ihre Verstrickung mit dem Nazi-Regime erstmals deutlich thematisierte. Schließlich wurde er 1947 in Friedberg/Hessen zum ersten Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gewählt. Das Amt hatte legte er 1964 nieder. 1962 bis 1968 fungierte Niemöller auch als einer der Präsidenten des weltweiten Ökumenischen Rates der Kirchen. Schwerpunkte seiner Arbeit waren die konsequente Verständigung mit den ehemaligen Kriegsgegnern Deutschlands in West und Ost. So reiste Niemöller mitten im Kalten Krieg 1952 auch nach Moskau, was damals ein ungeahntes Medienecho hervorrief. Er setzte sich zudem vehement gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ein. Aus seiner Grundüberzeugung zur Bewahrung der Schöpfung engagierte Martin Niemöller sich bis ins hohe Alter bei Ostermärschen gegen die Atomrüstung und in der Friedensbewegung. Er war Träger zahlreicher Ehrungen. So erhielt er neben dem Lenin-Orden, der höchsten Auszeichnung der früheren Sowjetunion, ebenso das Bundesverdienstkreuz am Bande. Niemöller starb am 6. März 1984 in Wiesbaden.
Mehr Informationen zu Martin Niemöller auch auf der Internetseite der hessen-nassauischen Kirche hier:
http://www.ekhn.de/ueber-uns/aufbau-der-landeskirche/leitung-der-kirche/kirchenpraesident/ehemalige-kirchenpraesidenten/martin-niemoeller.html
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken