Corona-Krise
Obdachlose und Corona
Gettyimages/paulprescott72Für Obdachlose ist es nicht leicht, völlig isoliert zu leben. Die von der Politik verordnete Regel »Bleiben Sie zu Hause« ist für sie ohnehin undenkbar. Einrichtungen suchen nach Lösungen.25.03.2020 esz Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die Einkaufsstraßen in den Innenstädten sind menschenleer. Auf den ersten Blick wirkt das vernünftig. Schließlich sollen alle zu Hause bleiben, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Für viele Obdachlose jedoch sorgen sich um ihre Existenz. Sie sind auf das Kleingeld der Passanten angewiesen. Das Problem geht weiter: Kleiderkammern und Tafeln schließen, Notunterkünfte kommen an ihre Grenzen.
Angespannte Stimmung unter den Obdachlosen
Noch sind diakonische Hilfseinrichtungen wie der Tagestreff Weser 5, die Frankfurter Bahnhofsmission sowie die Frauenheime Lilith und Hannah geöffnet, wie Michael Frase, Leiter der Diakonie Frankfurt und Offenbach, berichtet.
Im Weser 5 herrschen strengere Regeln als sonst: Zwei Kollegen kontrollieren vor dem Eingang, dass maximal 50 Gäste die Räume betreten. Die Bedürftigen bekommen mittags nach wie vor eine warme Mahlzeit. Falls das aufgrund fehlender Mitarbeiter nicht mehr möglich sein sollte, sollen Lunchpakete an die Obdachlosen verteilt werden, kündigt Frase an.
Die Stimmung unter den Klienten sei angespannt, erzählt Diakoniepfarrer Frase. Bei vielen sei das Verständnis für die Lage nicht da, bedauert er. Verschwörungstheorien und Fake-News machten die Runde.
Diakonie und Stadt suchen nach gesonderter Einrichtung
Regelmäßig stehen Frase und seine Kollegen im Austausch mit der Stadt Frankfurt, treffen sich telefonisch zu Krisensitzungen. Denn was passiert, wenn der Härtefall eintrifft und sich ein Besucher mit dem Virus ansteckt?
Im Hamburger Winternotprogramm für Obdachlose ist das bereits eingetreten: Dort befinden sich gerade mehr als 300 Menschen in dem Gebäude in häuslicher Isolation, weil ein Besucher positiv auf Covid-19 getestet wurde.
Alle Obdachlose isolieren – »das wird bei uns nicht passieren«, versichert Frase. In Unterkünften für Obdachlose, aber auch für Drogenabhängige und Flüchtlinge, lasse sich eine Quarantäne nicht umsetzen, ist Frase überzeugt. Oftmals lebten die Menschen bereits auf engsten Raum zusammen. Und gerade Drogensüchtige könne man im Zweifel ohnehin nicht davon abhalten, sich den Stoff draußen zu besorgen.
Einen Tagestreff wie Weser 5 abzuriegeln mache ebenfalls keinen Sinn, betont Frase. Schließlich würden die Menschen spätestens nach dem Mittagessen draußen vor der Türe wieder mit anderen Obdachlosen zusammenstehen.
Stattdessen solle in einem solchen Fall nur die infizierte Person isoliert werden. Dafür müsste es eine gesonderte Einrichtung geben, sagt Frase. Über mögliche Gebäude sind Diakonie und Stadt im Gespräch.
Frankfurter Franziskustreff bangt um Mitarbeitende
»Wir haben noch so lange auf, bis es irgendwie geht«, erzählt auch Bruder Michael vom Franziskustreff in Liebfrauen in Frankfurt. »Gerade wir dürfen jetzt den Mut nicht verlieren«, betont der 38-Jährige. Die Anlaufstelle in Trägerschaft der Caritas öffnet weiterhin ihre Pforten – mit Einschränkungen: Im Speisesaal ist nur noch Platz für zwölf Gäste, vorher waren es mehr als 30. Es gibt Einlasskontrollen, seit einigen Tagen steht vor dem Eingang eine mobile Wasch-Station mit Seife und Desinfektionsmittel.
Bisher funktioniert alles gut, wie Bruder Michael berichtet. Wäre da nicht die Sache mit dem Personal. Schon jetzt sind alle ehrenamtlichen Helfer über 65 Jahre nicht mehr im Einsatz. Per Mail haben Bruder Michael und seine Kollegen die insgesamt 60 Mitarbeiter darauf hingewiesen: Wem nicht wohl bei der Sache ist, bleibt bitte zu Hause.
»Die Menschen sind einfach total dankbar, dass wir noch da sind«, erzählt Bruder Michael seine Erfahrungen mit den Obdachlosen in den vergangen Tagen. Aber: »Auch unser Kräfte sind endlich«, sagt er. Wenn nicht mehr fünf Mitarbeitende pro Tag finden, müsste auch der Franziskustreff die Arbeit einstellen.
Gabenzäune für Obdachlose in vielen deutschen Städten
Auch von der Zivilgesellschaft kommt Hilfe. Eine Spendenaktion der Diakonie Deutschland auf Facebook hat bereits mehr als 10 000 Euro eingebracht. In vielen Städten wie Berlin, Dresden und Hamburg entstehen außerdem sogenannte Gabenzäune für Obdachlose. Die Menschen sind aufgerufen, in Plastiktüten verpackte Lebensmittel, Hygieneartikel oder Kleiderspenden an Zäune zu hängen, damit sich auf der Straße lebende Menschen dort versorgen können. In den sozialen Netzwerken ist unter den Hashtags #Spendenzaun oder #Gabenzaun nachzulesen, wo es solche Zäune in der Nachbarschaft gibt.
Von Carina Dobra
https://www.facebook.com/donate/164564987905110/10157262324578348/
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken