Blockupy 2013
Proteste gegen Finanzindustrie, Ausbeutung und Abschiebung
Erika von BassewitzMehr als 1.000 Demonstranten aus ganz Deutschland und Europa wohnen während der Proteste im Blockupy-Camp am Rebstockbad.31.05.2013 evb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
„Wir sind die 99 %, “ steht auf dem braunen Pappkarton, den ein junger Demonstrant der Blockupy-Bewegung hochhält. Er will damit gegen den Kapitalismus protestieren und zeigen, dass die meisten Menschen nur wenig Geld verdienen, während ein kleiner Teil der Bevölkerung mit Finanzspekulationen Unsummen einnimmt.
Gut 150 Aktivisten stehen mit roten Fahnen und Lautsprechern vor den Geschäften Karstadt und Primark. „Die Beschäftigten von Karstadt streiken, und weil die Mitarbeiter dort nur selten gewerkschaftlich organisiert sind, wollen wir sie mit der Blockade unterstützen, “ erzählt Ralf, der selbst als leitender Angestellter im Handel arbeitet. Heute aber verteilt er Postkarten mit Bildern aus Bangladesch. Sie zeigen Näherinnen bei der Arbeit, beim Protest und ein eingestürztes Gebäude. „Darin sind 1.000 Menschen gestorben, und die Frauen arbeiten für einen Hungerlohn, ohne Mutterschutz, 14 Stunden am Tag, “ erregt sich der 40-jährige Kaufmann. „Und nur damit wir hier T-Shirts für einen Euro fünfzig kaufen können.“
Seine Kritik richtet sich an den Textildiscounter Primark, der unter anderem in Bangladesch Kleidungsstücke nähen lässt. Primark selbst bekennt sich zu ethischen Arbeitsbedingungen und nennt als Beispiele „Freiheit der Beschäftigung, Zahlungen von Löhnen, die die Existenz sichern, keine übermäßigen Arbeitsstunden, Achtung örtlicher gesetzlicher Anforderungen“ sowie „sichere und hygienische Arbeitsbedingungen“.
Exkurs: Die Katastrophe in Bangladesch
Im April 2012 ist eine Fabrik in der Nähe von Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs eingestürzt. Um neun Uhr morgens fiel das achtstöckige Gebäude in sich zusammen. Fünf Textilfirmen lassen dort Kleidung für westliche Ketten wie Primark oder Wal-Mart produzieren. Regionalen Tageszeitungen zufolge sind mittlerweile 1.129 Menschen gestorben, viele der mehr als 3.100 Arbeiterinnen wurden verstümmelt und können daher nicht mehr den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien verdienen. Das Unglück führte zu zahlreichen Protesten in Bangladesch, in deren Folge das lokale Gesetz geändert wurde: Die Arbeiterinnen dürfen sich nun in Gewerkschaften organisieren.
Proteste gegen Abschiebung und Ausbeutung
Doch die Proteste auf der Zeil sind nur ein Teil der Blockupy-Proteste. Die Aktivisten wollen zeigen, „dass wir Nein sagen zur herrschenden Politik des globalen Hungers, zur Ausbeutung von Menschen und Naturressourcen – kurz: zum Kapitalismus und seinen alltäglichen Folgen wie Niedriglohn-Arbeit, sozialer Ausgrenzung, drückender Wohnungsnot und einer rassistischen Abschiebepolitik, " erklärt die Blockupy-Sprecherin Ani Dießelman.
EZB-Blockade verläuft friedlich
Um sechs Uhr morgens hat sie mit ihren Mitstreitern den Willy-Brandt-Platz vor der Europäischen Zentralbank besetzt. Mit beschrifteten Wasserbällen und Luftmatratzen protestierten die Anhänger der Blockupy-Bewegung im strömenden Regen gegen das Krisenmanagement der EZB in der Finanzkrise und gegen die Rettung der Großbanken.
„Es gab vereinzelt Scharmützel, wo wir einschreiten mussten, wo wir auch mal Pfefferspray einsetzen mussten, aber alles in allem war es sehr ruhig“, so der Kriminalhauptkommissar Rüdiger Reges. „Natürlich hoffe ich, dass es friedlich bleibt.“
Die Blockupisten sprechen von 3.000 Teilnehmern, Reges nennt rund 1.000, die von mehreren Hundert Polizisten an den verschiedenen Protestorten sorgfältig beobachtet werden. Dazu zählen der Frankfurter Flughafen, wo gegen die Abschiebpolitik protestiert wird, und diverse Veranstaltungsorte in der Frankfurter Innenstadt. Neben den Demonstrationen haben die Aktivisten zahlreiche Veranstaltungen, Diskussionsrunden, Vorträge und Konzerte unter dem Motto „Widerstand im Herzen des Europäischen Krisenregimes“ organisiert.
Evangelische Kirche unterstützt Blockupy
Auch in der evangelischen Matthäuskirche diskutieren Attac-Mitglieder aus ganz Europa über die Rolle der EZB in der Eurokrise. „Wir wollen eben ein Ort des Dialogs sein“, erklärt der Pfarrer Lars Kessner das Engagement seiner Gemeinde an den Blockupy-Aktionen. „Die Menschen der Blockupy-Bewegung wollen darüber diskutieren, welche Strukturen wir schaffen müssen, um das starke Auseinanderdriften der Gesellschaft in Arm und Reich zu verhindern, “ unterstützt ihn Dr. Brigitte Bertelmann, stellvertretende Leiterin des EKHN-Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung. Ihrer Meinung nach werfen die Blockupy-Aktivisten grundsätzliche Fragen der Gerechtigkeit in der Gesellschaft auf, die auch die Kirche beschäftigen. So achtet die EKHN bereits seit dem Jahr 2000 auf ethische Anlagekriterien, wie sie auch von den Blockupy-Aktivisten von der Deutschen Bank gefordert werden.
„Wir haben hier viele christliche Gruppen“, erzählt auch der Noborder-Aktivist Hendrick, der das Blockupy-Camp am Rebstockbad mitorganisiert hat. „Ich glaube, wir müssen uns einfach auf den Weg in ein solidarisches Europa machen, indem wir die Projekte auch im Kleinen anstoßen und ausprobieren. Blockupy ist da der erste Schritt.“
„Blockupy“ setzt sich aus den englischen Begriffen „block“ (blockieren) und „occupy“ (besetzen) zusammen. Über 100 Organisationen unterstützen die Proteste, darunter die Parteien Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, die globalisierungskritische Organisation Attac, die Gewerkschaft ver.di und Pax Christi. Die Aktivisten kommen aus ganz Deutschland und Europa.
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken