Zentrale Reformationsfeier 2016
Die Lutherbibel als "Big-Bang" der Literatur
Zentrale reformationsfeier 2016 in der Mainzer Christuskirche31.10.2016 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
EKHN/RahnMotto des Reformationsjubiläums in Hessen-Nassau: "Gott neu entdecken". Hier an der Wand des Landesmuseums Mainz am Reformationstag 2016Mainz / Darmstadt, 31. Oktober 2016. Anlässlich des Auftaktes der Feiern zu 500 Jahren Reformation hat der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, die friedensstiftende Rolle der Religionen in der modernen Gesellschaft hervorgehoben. Zwar werde der Glaube immer wieder in Verbindung mit gewaltsamen Auseinandersetzungen gebracht, sagte Jung am Montagabend (31. Oktober) im Reformationsgottesdienst in der Mainzer Christuskirche. Die verheerenden Kriege etwa infolge der Reformation oder die aktuellen Taten religiöser Extremisten stehen nach Ansicht des Kirchenpräsidenten aber nicht im Einklang mit Gottes Willen. „Für mich ist sehr eindeutig: Es gibt keine Gottesliebe ohne Menschenliebe. Und es gibt deshalb auch keine Rechtfertigung, im Namen Gottes Krieg gegen andere zu führen“, so Jung. Das bevorstehende Reformationsjahr biete eine gute Chance, „Gott neu als Gott der Liebe und des Friedens zu entdecken“.
Jung: Moderne Höllenängste überwinden
Auch Martin Luther habe vor 500 Jahren Gott neu entdeckt und damit die Reformation ausgelöst, so Jung weiter. In der hessen-nassauischen Kirche sei das Jubiläumsjahr der Reformation deshalb unter das Motto „Gott neu entdecken“ gestellt worden. Auch Menschen, für die der Glauben im Leben kaum mehr eine Rolle spiele, eröffne sich eine Möglichkeit, sich Gott zuzuwenden. So könnten moderne „Höllenängste“ wie einst bei Martin Luther durch den Glauben an einen liebenden Gott überwunden werden. Als Beispiele nannte Jung etwa die Furcht zu versagen oder von anderen nicht anerkannt zu werden. Der christliche Glaube verweise darauf, „als Mensch viel mehr zu sein, als das, was du zustande bringst“. In Gottes Augen bleibe jeder ein „geliebtes Kind - mit den Erfolgen, aber auch mit den Niederlagen, ja sogar in den Trümmern deines Lebens“, sagte Jung.
Scheck: Big Bang der deutschen Sprache
In seinem Festvortrag zum Reformationstag bezeichnete der Literaturkritiker und ARD-Fernsehmoderator Denis Scheck die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther als „literarischen Big Bang“. Sein Werk sei ein „Urknall, dessen Wellen noch deutlich bis in unsere Gegenwart pulsieren, ein Schöpfungsakt von bis heute blendender Brillanz und Genialität“. Dem Übersetzer Martin Luther seien Wortneuschöpfungen wie das „Machtwort“ und der „Schandfleck“, der „Gewissensbiss“, das „Lästermaul“ oder die „Feuertaufe“ ebenso zu verdanken wie die Redewendungen „ein Herz und Seele“, „Perlen vor die Säue werfen“, „auf Sand bauen“, „die Zähne zusammenbeißen“ oder „ein Wolf im Schafspelz“. Die Luther-Bibel markiere zugleich den Beginn des Neuhochdeutschen als Literatursprache. Es sei eine Besonderheit des Deutschen, dass eine literarische Übersetzung die Sprache geprägt habe. Seinen Beitrag hatte Scheck selbst unter ein Zitat von Martin Luther gestellt: „Das Wort sie sollen lassen stahn und kein‘ Dank dazu haben“.
Giebelmann: Tiefer Kirche Jesu Christi werden
In seinem Grußwort zum Reformationstag erklärte der Diözesanadministrator des Bistums Mainz, Dietmar Giebelmann, dass die weltweiten Herausforderungen dazu mahnten, das Trennende zwischen den Kirchen zu überwinden. Dagegen solle „das Miteinander, wo immer es möglich ist, gestaltet und darüber hinaus auch gewagt“ werden. Es sei ein positives Zeichen, dass das 500. Jahr der Reformation von der katholischen und der evangelischen Kirche in Gestalt eines „gemeinsamen Christusjahres“ begangen werden könne. Auf diese Weise richteten beide Kirchen ihr Augenmerk „auf die einende Mitte: Christus.“ Giebelmann: „Was mit dem Jahr 1517 begann, war, wenn es recht betrachtet wird, nicht das Gründen einer neuen Kirche, sondern die Erneuerung der Kirche an Haupt und Gliedern, damit die Kirche tiefer Kirche Jesu Christi wird“.
Oelschläger: Drucke begehrt wie ein neues i-Phone
In seiner Moderation des Festaktes ging der hessen-nassauische Präses Ulrich Oelschläger auf die besondere Verbindung von Mainz und Martin Luther ein. Es sei heute umstritten, ob der Reformator seine 95 Thesen wirklich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen habe. Unumstößlich dagegen aber sei, dass Luther dem Erzbischof von Mainz die Thesen 1517 per Post zugesandt habe. So habe das Mainzer Bistum zu den ersten gehört, die die neuen Lehren Luthers zur Kenntnis erhielten. Mainz sei zudem die Stadt des Buchdrucks. „Ohne ihn hätte es die Reformation in dieser Form nicht gegeben“, so Oelschläger. Luthers Bibelübersetzung habe das Herz und den Geist der Menschen seiner Zeit getroffen. Sie hätten sich um die Drucke regelrecht gerissen. Diese Begeisterung sei heute nur vergleichbar mit dem „Erstverkaufstag eines neuen i-Phone-Modells“.
Festgottesdienst aus Mainz mit Live-Schalte im SWR
Den Festgottesdienst gestalteten neben Kirchenpräsident Volker Jung unter anderem der Propst für Rheinhessen, Klaus-Volker Schütz, die Mainzer Pfarrerin Bettina Klünemann, Mitglieder der Christuskirchengemeinde und ökumenische Gäste. Daneben waren der Bachchor und das Bachorchester Mainz mit Werken von Johann Sebastian Bach zu hören. Die Orgel spielte Prof. Hans-Joachim Bartsch. Bereits im Vorfeld hatten rund 500 Gäste aus Gesellschaft, Kirche und Politik ihr Kommen zugesagt. Das SWR-Fernsehen schaltete während seines Abendprogramms live in den Festakt.
Hintergrund: Reformationsfeier
Am 31. Oktober erinnern Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation durch Martin Luther und die Gründung der evangelischen Kirche vor fast 500 Jahren. Laut der Überlieferung soll der Mönch und Theologieprofessor Martin Luther am Tag vor Allerheiligen 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg 95 Thesen in lateinischer Sprache zu Ablass und Buße angeschlagen haben, um eine akademische Disputation herbeizuführen. Damit leitete er die Reformation der Kirche ein. Zum 22. Mal veranstaltet die EKHN einen Festakt anlässlich des Reformationstags. Bei der Feier blickt stets auch eine bekannte Persönlichkeit mit einem besonderen Fokus auf das protestantische Leben in der Gesellschaft. Bislang zählten unter anderem der frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Mazière, der vormalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, die ZDF-Journalistin Gundula Gause oder der Filmregisseur Nico Hofmann zu den Referenten.
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