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    Prozess

    Tugce-Prozess beginnt mit Geständnis des Angeklagten

    Lupo/pixelio.deDer 18-jährige Sanel M. muss sich im Fall Tugce vor dem Landgericht Darmstadt wegen einfacher Körperverletzung mit Todesfolge verantworten.

    Sie wollte helfen und musste sterben: Tugce Albayrak. Der 18-jährige Angeklagte Sanel M. gab zum Prozessauftakt in Darmstadt unter Tränen zu, die junge Deutschtürkin im Morgengrauen vor einem Offenbacher Schnellrestaurant geschlagen zu haben.

    Der Prozess um die tödlich niedergeschlagene Tugce Albayrak vor dem Landgericht Darmstadt hat am Freitag mit einer persönlichen Erklärung des Angeklagten begonnen. „Ich habe in der Tatnacht der Tugce eine Ohrfeige gegeben. Dann ist sie umgefallen. Es tut mir unendlich leid, was ich getan habe“, sagte Sanel M. (18) bei großem Medienandrang im Darmstädter Landgericht. „Ich habe niemals mit ihrem Tod gerechnet. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was ich der Familie an Leid und Schmerz angetan habe“, sagte er mit stockender, tränenerstickter Stimme.

    Der Verhandlung folgte der schmächtige junge Mann überwiegend vornübergebeugt und mit gesenktem Haupt. Der Angeklagte gab seine Erklärung nach der Verlesung der Anklageschrift ab. Die Staatsanwaltschaft hatte im Gegensatz zur Erklärung von Sanel M. angegeben, der Angeklagte habe erkennen können, dass mit seinem Schlag gegen Tugces Kopf „die Gefahr eines Sturzes mit tödlich verlaufenden Verletzungen verbunden war“.

    Die damals 22 Jahre alte deutschtürkische Studentin war vor dem tödlichen Streit im Morgengrauen des 15. November 2014 in der Toilette eines Offenbacher Schnellrestaurants zwei 13 und 14 Jahre alten Mädchen zu Hilfe geeilt, die von Sanel M. und dessen Freunden belästigt worden sein sollen. Auf dem Parkplatz setzte sich der Streit später fort und eskalierte. Sanel M. schlug zu, Tugce stürzte auf den Asphalt und fiel mit Schädelbrüchen ins Koma. Am 28.November, Tugces 23. Geburtstag, ließen ihre Eltern die lebenserhaltenden Maschinen abschalten.

    In einer weiteren Erklärung machte der Angeklagte auch Angaben zu seinem persönlichen Werdegang. Danach bekam er wegen guter Leistungen in der Grundschule eine Empfehlung fürs Gymnasium, wo er jedoch scheiterte. Weil er mit dem Gesetz in Konflikt kam, flog er auch von der nächsten Schule, ehe er mit Mühe im Sommer 2014 den Hauptschulabschluss schaffte. Nach einer Zeit des Nichtstuns habe er eine Lehrstelle ergattert, die er wegen seiner Festnahme im November aber nicht antreten konnte.

    Die seitdem fortdauernde Untersuchungshaft „hätte man sich schlimmer vorgestellt“, sagte der in Offenbach geborene und aufgewachsene Serbe dem Gericht. Gleichwohl habe ihm ein Mithäftling wegen seiner Tat mit einem Faustschlag die Nase gebrochen. Nach der Haft wolle er eine Berufsausbildung machen.

    Staatsanwalt Alexander Homme wollte sich in einer Verhandlungspause noch nicht über eine mögliche Strafforderung äußern. Er räumte aber ein, der „reuige Eindruck“, den Sanel M. gemacht habe, könne sich strafmildernd auswirken.

    Der Bruder des Opfers, Dogus Albayrak (25), erklärte in seiner teils nichtöffentlichen Vernehmung, seine Schwester habe einen „großen Gerechtigkeitssinn“ gehabt. Forsch oder aggressiv sei sie aber nie aufgetreten. Ihr Tod habe die Familie in eine bis heute andauernde tiefe Verzweiflung gestürzt und habe auch finanzielle Folgen, weil die Eltern seitdem arbeitsunfähig seien.

    Die Familie der Toten verfolgt den Prozess als Nebenkläger. Der Vorsitzende Richter Jens Aßling rügte Tugces Mutter Sultan Albayrak, weil sie ein T-Shirt mit dem Porträt ihrer Tochter trug. Er forderte sie wie auch weitere Zuschauer auf, die Jacke zu schließen. Vor dem Gerichtsgebäude begleitete eine Mahnwache für die Tote den Prozess, jedoch nur mit etwa 40 statt der angekündigten 200 Personen. Ziel sei es, „der Familie an diesem Tag zur Seite zu stehen und ihr Kraft zu geben“, lautete der Aufruf bei Facebook.

    Das Gericht wertete am ersten Verhandlungstag auch Videos von zwei Überwachungskameras aus. Die unscharfen, ruckelnden Aufnahmen ließen aber auch in der Nachbearbeitung durch das Landeskriminalamt und in vergrößerten Standfotos nur ungefähre Rückschlüsse auf das Geschehen zu. Zu sehen waren durcheinanderlaufende, gestikulierende Personen, die offenbar - Tonaufnahmen fehlen - miteinander streiten.

    Die Verhandlung endete unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der Vernehmung der beiden minderjährigen Mädchen, wegen denen die Auseinandersetzung begonnen hatte. Am Montag, 27. April, wird der auf zehn Verhandlungstage angesetzte Prozess fortgesetzt.

    Wolfgang Weissgerber

    Zum Gebet für Tugce

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