Spielekonsum
Wie viel Spielekonsum ist eigentlich in Ordnung?
GettyImages/herraezGamepad vor TV-Bildschirm16.05.2019 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Von Clarissa Weber
Beim Wort „Computer-Nerd“ hat wohl jeder das klassische Bild vor Augen: Ein junger Mann sitzt tagelang in einem dunklen Raum, verschanzt hinter Bildschirmen, um ein PC-Game durchzuzocken. Aber dieses Klischee entspricht nicht unbedingt der Wirklichkeit, sagt der Soziologe Michael Grunewald vom Zentrum für gesellschaftliche Verantwortung in Mainz.
Spielen mit dem Smartphone
„Die meisten Menschen spielen völlig problemlos und die Zahl gefährdeter Personen liegt im niedrigen einstelligen Bereich“, erklärt Grunewald. Das liegt daran, dass viele Menschen Gelegenheitsspieler seien, das heißt sie spielen nur, wenn die Gelegenheit günstig sei, beispielsweise in der Bahn oder Bus. „Das hat sich auch durch das Smartphone so entwickelt“, sagt Michael Grunewald, „denn es ist inzwischen das Hauptspielinstrument, gerade weil es in jede Tasche passt und man unterwegs immer damit spielen kann.“
Ab wann wird es kritisch?
Doch ab wann liegt der Spielekonsum nicht mehr in einem normalen Bereich? „Zuerst muss immer die Frage gestellt werden, welchen Stellenwert das Spielen im Leben einnimmt“, erklärt der Soziologe. Fallen beispielsweise die Schulleistungen oder das Kind möchte sich nicht mehr mit Freunden zum Fußball treffen, sollten die Eltern den Medienkonsum insgesamt genauer betrachten.
Das eigentliche Problem
„Wenn Eltern das Gefühl haben ihr Kind spiele zu viel elektronische Spiele, bringen Sie es meistens zu einer Suchtberatung“, meint Michael Grunewald. In den meisten Fällen stelle sich dann aber heraus, dass das Spielen gar nicht das Problem sei. Häufig gibt es einen Konflikt in der Kommunikation zwischen Eltern und Kind. Wenn ein Kind zum Beispiel sehr viel liest, wird das von den Eltern häufig als weniger problematisch angesehen, als ein Kind das sehr viel elektronisch spielt. Hier rät Michael Grunewald: „Spielen Sie mal mit ihren Kindern und interessieren Sie sich für das, was ihre Kinder machen! Und das nicht aus dem Kontrollgedanken heraus, sondern aus ehrlichem Interesse.“ Dennoch sollte man nicht aktiv mitspielen, erklärt er weiter, denn viele Jugendliche in der Pubertät wollen zwar verstanden werden von den Eltern, sich aber auch von ihnen abgrenzen und das funktioniere über Spiele eben sehr gut. Außerdem sollten Kinder schon früh Medienkompetenzen erwerben, meint Michael Grunewald und nennt als Beispiel den Bau einer Trickfilmbox im Kindergarten. Mit dieser lernen die Kinder spielerisch wie einfache Filme entstehen.
Was fasziniert die Spieler?
Michael Grunewald erzählt vom Bartle-Test demzufolge es vier Arten von Spielern gibt. Die erste Gruppe sind die Socializer, sie spielen gerne mit anderen und tauschen sich über das Spiel aus. Dann gibt es noch die Achiever und Explorer. Die Explorer leben im Spiel ihren Forschertrieb aus und wollen neue Techniken und Fehler im Spiel herausfinden. Den Achievern hingegen geht es darum, messbare Erfolge freizuschalten, wie beispielsweise viele Medaillen oder Items zu sammeln. Killer heißt die letzte Gruppe von Spielern. Ihnen geht es nur ums Gewinnen und sich mit anderen zu messen. „Je erfolgreicher ein Spiel ist, desto mehr dieser unterschiedlichen Spielermotivationen kann es binden. Das erste Spiel auf dem Massenmarkt, das alle vier Spielergruppen ansprechen konnte, war ‚World of Warcraft‘ 2003/2004“, sagt der Soziologe.
Warum spielen Kinder und Jugendliche lieber anstatt Hausaufgaben zu machen?
„Eigentlich funktionieren Spiele nicht anders als Schule auch“, sagt Michael Grunewald, „Spiele sind eine Lernsimulation. Es gibt ein Problem und man muss Kompetenzen erwerben, um es zu lösen.“ Dabei sei es völlig egal ob, es Schach oder ein Ballerspiel am PC sei. „Der Unterschied zur Schule ist, dass die Rückmeldung sofort erfolgt. In der Schule hingegen tritt sie zeitversetzt mit der Zeugnisvergabe ein.“, erklärt der Spieleexperte. In New York gäbe es sogar eine Schule die mit KI (Künstlicher Intelligenz) arbeitet. „Die Schüler erhalten täglich Aufgaben, die sie sich selbst erarbeiten müssen. Nachts werden die Daten der Schüler aus dem Unterricht ausgewertet und für den nächsten Tag neu an die Lernziele angepasst. So wird langweiliger Frontalunterricht vermieden“, meint Michael Grunewald. Und die Ergebnisse der Schule seien sehr positiv.
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