Herborn
Alte Balken und neuer Schiefer
Seidel+MuskauAktuell wird an der Nordseite der Herborner Stadtkirche gearbeitet13.03.2022 hjb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Von Jenny Berns
Einen Tipp hat Architektin Stefanie Muskau vom Architekturbüro Seidel & Muskau, das mit der Sanierung beauftragt ist: „Ist das Gerüst abgebaut, müssen Sie einmal einen Blick auf die Kehlenausführung der kleinen Dachgaube werfen.“ Grund: Die Schieferdeckung ist als altdeutsche Deckung ausgeführt, und die ist richtige Handwerkskunst. Alle Schieferplatten müssen vor Ort für den entsprechenden Einbaubereich zugeschlagen werden. An den Dachgauben ist diese Arbeit besonders gut zu erkennen.
Morsche Balken ausgetauscht
Bevor das Dach der Südseite gedeckt wurde, waren die Schäden an der historischen Holzkonstruktion am Fuß des Daches behoben worden. „Die Holzschäden erwiesen sich als etwas geringer als ursprünglich angenommen“, erklärt Muskau. Dennoch seien einige Deckenbalken stark geschädigt und die Mauerlatten, die das Dachgewicht auf das Mauerwerk ablasten, teilweise zerstört gewesen.
Soweit möglich wurde Schadhaftes instandgesetzt. Wo das nicht möglich war, wurde ausgetauscht, beispielsweise einige Längsbalken. Zum Einsatz kamen dabei „historische“ Balken aus anderen alten Bauwerken. Die Zweitverwendung ist sinnvoll, da die Balken das gleiche bauphysikalische Verhalten wie die bereits vorhanden Holzbauteile im Dachstuhl aufweisen. Auch Arbeiten an der Deckenkonstruktion waren nötig.
Aktuell Arbeiten an der Nordseite
Parallel zum Decken des Süd-Daches, starteten im Spätsommer die Arbeiten an der Nordseite. „Diese Gebäudeseite ist schwieriger zu bearbeiten, da die Zufahrtsmöglichkeiten sehr eingeschränkt sind und die Dachfläche durch das Zwerchhaus, das die Höhe für den Konfirmandenraum bildet, durchtrennt ist“, sagt die Architektin. Und noch etwas kommt hinzu: Es gibt dort deutlich größere Schäden an der Holzkonstruktion. Im Bereich des Zwerchhauses war über lange Zeit Regenwasser eingedrungen, die Eichenbalken an einigen Stellen komplett morsch.
Betroffen davon: die aufgehende Dach- und Fachwerkkonstruktion und insbesondere die Querunterzüge. Vier der sechs Unterzüge seien so stark geschädigt, dass sie die Lasten nicht mehr sicher abtragen konnten, sagt Stefanie Muskau.
„Ein richtiges Meisterwerk“
Das hatte den für Zuschauer sicherlich spektakulärsten Schritt der Sanierung zur Folge. Ein Querunterzug war so stark zerstört, dass man ihn komplett austauschen musste.
Kein einfaches Unterfangen, der Balken wiegt gut 1,2 Tonnen. Um ihn zu entfernen, wurden zunächst die Fachwerkkonstruktion im Dachstuhl und der Deckenbalken, deren Last der Balken trägt, mit einer Spezial-Konstruktion abgestützt. Im Anschluss konnte der schadhafte Balken rausgeschnitten werden.
Beeindruckend dann das Einpassen des „neuen“ Querunterzugs. Mit einem Kran wurde der tonnenschwere Balken in die Luft gehoben, schwebte kurzzeitig auf der Höhe des Kirchendachs. Danach fädelten ihn die Zimmerleute langsam in die Stützkonstruktion ein. „Das war eine echte Kraftanstrengung und ein richtiges Meisterwerk, dies so auszuführen“, lobt Muskau die Arbeit. Nun geht es mit der Instandsetzung der übrigen Querunterzüge weiter.
Spezialkonstruktion notwendig
Auf der Agenda steht aber noch mehr: Auch die Längsbalken auf der Nordseite weisen Schäden auf – was den Architekten „ein wenig Kopfzerbrechen“ bereitet hatte, so Muskau. Als Besucher der Kirche nimmt man diese Balken als einheitliche Bauteile wahr, da sie verputzt sind. Tatsächlich besteht jeder Längsunterzug aber aus mehreren Teilen: zwei nebeneinanderliegenden Eichenbalken (40x40 cm) und kleinere, darüberliegende Balken (20x20 cm). Einer von ihnen ist so stark geschädigt, dass nur noch eine Breite von circa 8 Zentimetern vorhanden ist.
„Für die Instandsetzung hat unser Statiker eine Konstruktion entwickelt, bei der der vorhandene Holzbalken mit Stahlstäben unterspannt wird, um wieder tragfähig zu sein“, erklärt Stefanie Muskau, was geplant ist. Sind die Zimmerarbeiten fertig, gehen auch an der Nordseite die Dachdecker ans Werk.
Die Architektin kündigt an: „Diese Arbeiten sollen bis zum Herbst 2022 fertiggestellt sein.“ Sind dann auch die im Zusammenhang mit der Dachsanierung notwendigen und umfangreichen Putz- und Malerarbeiten im Innenraum abgeschlossen, kann das Innengerüst abgebaut und die Kirche wieder komplett genutzt werden. Vielleicht kann die Gemeinde bereits das Erntedankfest wieder in der Stadtkirche feiern.
Es wird heller in der Stadtkirche
Auch im Innern der Kirche wird es Veränderungen geben. Selbstverständlich muss die Decke nach den umfangreichen Reparaturen am Dachstuhl gestrichen werden.
Bei der Gelegenheit werden auch die Lampen in der gesamten Kirche ausgetauscht. Die Strahler und Pendelleuchten weichen modernen, energetisch günstigeren und schlichten Leuchtmitteln. Mittels verschiedener Beleuchtungsszenarien kann die Kirche jeweils angemessen ins rechte Licht gesetzt werden. Bewegungsmelder ermöglichen beispielsweise den Teilnehmern von Stadtführungen einen sofortigen Einblick in die Kirche, ohne langes Abtasten der Wände auf der Suche nach dem Lichtschalter. Die Kirche im Innenraum wird insgesamt heller werden und besonders der Chorraum wird im neuen Glanz erstrahlen.
Das wird aber nicht die einzige Veränderung im Chorraum sein. In Kooperation mit dem Denkmalschutz und den zuständigen Architekten werden die Bänke im Chorraum zurückgebaut. Selbstverständlich bleiben die einzigartigen Emporen dort erhalten, aber darunter entsteht eine ebene Fläche, die wir für zahlreiche Veranstaltungen nutzen können. Eine adäquate Bestuhlung ermöglicht uns so eine flexiblere Nutzung des Raums.
Im Zuge dieser Arbeiten werden auch die Bänke links und rechts vorm Altarraum zurückgebaut, um auch hier mehr Platz für große kirchenmusikalische Konzerte samt Orchester und Chor zu gewinnen.
Eine komplette Innensanierung soll in den kommenden Jahren abschnittsweise erfolgen. Mit den Umbauarbeiten im Chor und dem neuen Beleuchtungskonzept ist ein erster Schritt getan.
Text: Andree Best
Historische Schrifttafel kehrt zurück
Nicht nur der Zahn der Zeit hat an ihr genagt. Es waren ganz konkret auch Holzwürmer, die eine rund 372 Jahre alte Schrifttafel aus der Stadtkirche zu einem Fall für die Restaurierung machten. Jetzt erstrahlt sie wieder im alten Glanz und wartet darauf, nach dem Ende der Arbeiten an der Stadtkirche wieder ihren Platz unter der Orgelempore einnehmen zu können.
Restauratorin Ina Hablowetz aus Braunfels hat die Schadstellen ausgebessert und die stark nachgedunkelte Tafel gereinigt. Anfang Februar brachten Pfarrer Andree Best und Heinz Peter, Mitglied des Kirchenvorstands, die Tafel zurück nach Herborn. Die Inschrift bezieht sich auf den 17. Juli 1650. Vermutlich in einem Dankgottesdienst wurden an diesem Tag „die Rückkehr des vertriebenen Friedens“ nach dem Ende des 30-jährigen Krieges und die zuvor erfolgte Innenerneuerung des Kirchengebäudes „zum Nutzen der Nachwelt“ gewürdigt.
» Spendenkonto:
Sparkasse Dillenburg
IBAN: DE92516500450000041590
Verwendungszweck „Kirchensanierung“.
Selbstverständlich erhalten Sie eine Spendenbescheinigung.
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