Dekanat Rodgau

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    80 Jahre Barmer Theologische Erklärung

    Das Barmer Dokument gegen Nazi-Irrlehren

    Esther Stosch

    Vor 80 Jahren verabschiedete die Synode in Wuppertal die Barmer Theologische Erklärung, für viele bis heute ein Manifest des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Als solches war sie von ihren Verfassern aber gar nicht gedacht.

    von Nils Sandrisser (Evangelische Sonntags-Zeitung)

    Schon einige Monate lang rumorte es unter den Protestanten im Deutschen Reich. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 hatten die neuen Herren Deutschlands damit begonnen, alle Bereiche des öffentlichen Lebens in ihr System zu pressen. „Gleichschaltung“ nannten sie das. Nun sollten auch die Kirchen dran sein.

    Viele Evangelische lehnten diese Übergriffe des Staates auf ihre Kirche ab – aber bei weitem nicht alle. Die „Deutschen Christen“ unter ihrem „Reichsbischof“ Ludwig Müller jubelten den Braunen zu und beeilten sich dienstfertig, ihr ganzes kirchliches Leben nach dem Führerprinzip zu organisieren und NS-Recht innerhalb der Kirche umzusetzen.

    Pfarrernotbund als Antwort auf „Arierparagraph“

    Am „Arierparagraphen“ kristallisierte sich dieser innerprotestantische Konflikt. Nachdem die Nazis auf Grundlage dieses Gesetzes bereits alle Juden aus Behörden und Universitäten verbannt hatten, sollten nun auch die Kirchen Christen mit jüdischem Hintergrund ausschließen.

    Hier war für viele Theologen eine rote Linie überschritten. Im September 1933 schlossen sie sich in Wittenberg zum Pfarrernotbund zusammen. Unter den Geistlichen waren Dietrich Bonhoeffer und Martin Niemöller, der spätere Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Der Pfarrernotbund wurde zum Vorläufer der Bekennenden Kirche.

    „Nation“ und „Rasse“ können Jesus nicht ersetzen

    Die gründete sich im Mai 1934 während ihrer ersten Reichssynode in der Gemarker Kirche im Wuppertaler Stadtteil Barmen. Ihr Gründungsdokument war die Barmer Theologische Erklärung. Der Theologieprofessor Karl Barth hatte das Dokument gemeinsam mit den lutherischen Geistlichen Thomas Breit und Hans Asmussen verfasst, am 31. Mai verabschiedeten die Synodalen den Text.

    Allen sechs Thesen der Barmer Theologischen Erklärung stand ein Zitat aus dem Neuen Testament voran, gefolgt von einem Bekenntnis und der Ablehnung einer „Irrlehre“. Die Erklärung räumte auf mit den Gedanken, wonach Begriffe wie „Nation“, „Rasse“ oder „Volk“ mit dem Dienst an Jesus gleichzusetzen wären. „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen“, heißt es in der ersten der sechs Thesen – eine klare Absage an das Führerprinzip.

    Keine Absage an Nationalsozialismus

    Aber keine Absage an den Nationalsozialismus, als welche die Erklärung später oft interpretiert wurde. So verstanden sie selbst ihre Verfasser nicht. Sie war ein Standpunkt im innerprotestantischen Streit, der um die Frage kreiste, welches Verhältnis die Kirche zum NS-Staat haben sollte. Die Erklärung zielte weniger gegen die NSDAP als vielmehr gegen die Deutschen Christen, die Hitler noch einige Monate zuvor als „Heiland“ bezeichnet hatten. Asmussen selbst betonte auf der Barmer Synode, dass die Erklärung nicht gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten selbst gerichtet sei.

    Gleichwohl gefiel denen die Erklärung natürlich nicht. Dass Christus allein Herr der Kirche sei, wie die erste These verkündete, stieß ihnen sauer auf – denn sie selbst wollten Herren der Kirche sein. Und dass alle Protestanten Christus zu eigen sein sollten, wollten sie nicht hören – denn sie selbst wollten absolut über den Menschen herrschen. „Es trug der theologische den politischen Konflikt in sich“, so umschrieb es der Autor Barth später, „und es musste so kommen, dass er tatsächlich mehr und mehr als politischer Konflikt offenbar wurde.“

    Die Nazis erringen im Kirchenkampf die Kontrolle

    Obwohl die Bekennende Kirche keine Widerstandsorganisation war und obwohl viele ihrer Angehörigen in Fragen außerhalb des Kirchenrechts sogar mit der NSDAP sympathisierten, brachte sie ihre Weigerung, sich gleichschalten zu lassen, in Opposition zu den Nazis. Die wollten im „Kirchenkampf“ die Kontrolle über die Protestanten gewinnen. Viele der ihr angehörenden Pfarrer bezahlten dafür mit ihrer Freiheit oder mit ihrem Leben – Niemöller und Bonhoeffer sind die prominentesten Beispiele.

    Dennoch blieb die Bekennende Kirche auf sich fixiert. Das Schicksal von Menschen außerhalb der Kirche – Juden oder Kommunisten – spielte für die Barmer Theologische Erklärung und in der unmittelbaren Zeit danach kaum eine Rolle. Niemöller betonte nach dem Krieg, dass die Bekennende Kirche damit Schuld auf sich geladen hatte: „Denn sie allein wusste, dass der eingeschlagene Weg ins Verderben führt, und sie hat unser Volk nicht gewarnt, sie hat das geschehene Unrecht nicht aufgedeckt oder erst, als es zu spät war.“

    Mehr zu dem Thema:

    Die Barmer Erklärung - wie politisch darf ein Christ sein?

    Die Thesen der theologischen Erklärung von Barmen

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