Dekanat Rodgau

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    Preis für interreligiöse Projekte

    Interreligiöse Toleranz in Offenbacher Berufsschule lernen

    Nils Sandrisser

    Eine Offenbacher Berufsschule unterrichtet Christen, Muslime und Atheisten gemeinsam in Religion. Dieses Konzept würdigt die Stadt mit ihrem Integrationspreis – für die beteiligten Lehrer ist es bereits die zweite Auszeichnung.

    Nils SandrisserCarolin Simon-Winter, Gonca Aydin und Burkhard Rosskothen (v.l.n.r.) planen die Inhalte des gemeinsamen Religionsunterrichts.

    Der Raum im Untergeschoss der Offenbacher Theodor-Heuss-Schule ist fast leer. Keine Schulbänke oder Stühle stehen darin. Nur einige Zettel und Bilder liegen in mehreren Gruppen auf dem grauen Teppichboden. Arabische und lateinische Schriftzeichen folgen aufeinander, polnische folgt auf rumänische und deutsche Sprache. „Mahlzeit“ steht auf den Papieren oder „Al-Andalus“. Hier unten wird Religion unterrichtet – und zwar gemeinsam.

    Schon lange werden an der Theodor-Heuss-Schule Protestanten, Katholiken, Muslime und Schüler ohne Glauben gemeinsam in Religion unterrichtet. Das gehe manchmal nicht anders, sagt Carolin Simon-Winter, denn Lehrer seien knapp. „Da dachten wir uns, eigentlich könnte man doch aus der Not eine Tugend machen“, erzählt die protestantische Pfarrerin.

    Interreligiöses Projekt wird zum zweiten Mal ausgezeichnet

    Das war die Geburtsstunde des Projekts „Verschiedenheit achten – Gemeinschaft stärken“. Simon-Winter leitet gemeinsam mit ihrem katholischen Kollegen Burkhard Rosskothen, der muslimischen Theologin Gonca Aydin und der Ethiklehrerin Pia Blume das Projekt. Seit 2006 sind in den elften Klassen des beruflichen Gymnasiums die Schranken zwischen den Konfessionen im Religionsunterricht gefallen.

    Ein sehr gutes Projekt haben die vier aus der Not geschaffen – das fanden der Verein „Demokratisch handeln“ und die Stadt Offenbach. Schon 2011 verlieh der Verein dem Projekt den Hildegard-Hamm-Brücher-Preis. Im April kommt der Offenbacher Integrationspreis dazu.

    Religion ist nichts, was Menschen trennt

    Bevor die Theodor-Heuss-Schule ihr Projekt startete, mussten sich deren Schüler wie anderswo auch für den evangelischen oder katholischen Religions- oder den Ethikunterricht entscheiden. Die Botschaft war: Religion ist etwas, das trennt. Das Projekt soll dieser Botschaft entgegentreten.

    Denn sie stimmt noch nicht einmal. „Wir sitzen zusammen und machen dabei die Erfahrung, dass wir zusammengehören“, erzählt Rosskothen. „Es gibt ganz viele Geschichten und Mythen, die wir alle kennen, die nur einen anderen Weg gegangen sind.“ Die Geschichte von Abraham sei so ein Beispiel – ein Beleg dafür, dass die drei monotheistischen Religionen verwandt sind.

    Schwerpunkt liegt auf biografischer Arbeit

    Verwandt, aber doch eigenständig. Diese drei Religionen vertreten in einzelnen Fragen durchaus unterschiedliche Meinungen. Kein Wunder, dass die Schüler das auch tun. „Die jungen Menschen sollen lernen, ihre Positionen klar zu benennen“, betont Simon-Winter. „Es geht uns nicht um einen Einheitsbrei. Wir sind nicht gleich. Wir sind sehr unterschiedlich.“

    Der Schwerpunkt des gemeinsamen Unterrichts liegt auf dem narrativen und biografischen Arbeiten, dem „voneinander Erzählen“, wie Simon-Winter es beschreibt: „Es geht uns darum, dass die Schüler von ihren Religionen und ihren ethischen Werten erzählen.“ Die Lehrer machen dabei den Anfang und erzählen von ihren eigenen Wendepunkten im Leben.

    Raus aus den Schubladen

    Dieses Von-sich-Erzählen bricht Vorurteile und Schubladen auf, die in vielen Köpfen noch festsitzen. „Es zeigt sich bei diesem Unterricht: Es gibt nicht die Moslems, die Christen oder die Juden“, sagt Simon-Winter. Innerhalb ihrer Religionen differenzierten die Jugendlichen sich. Die Seelsorgerin muss lachen: „Eine Schublade gibt ja auch Sicherheit – bei aller Enge. Aber sie sollen da raus.“

    Bei den zentralen Unterrichtseinheiten stehen die vier Lehrkräfte gemeinsam vor einer Klasse – oft in dem großen Raum im Untergeschoss. Um hineinzudürfen, muss man vorher die Schuhe ausziehen. Hier arbeiten die Schüler ihre Gemeinsamkeiten und ihre Unterschiede heraus.

    Manchmal brechen Konflikte auf

    „Wir zeigen zum Beispiel einen Ausschnitt aus einem Film“, beschreibt Rosskothen den Unterricht. Zu „Brokeback Mountain“ etwa – einem Film über zwei homosexuelle Cowboys – haben die Schüler reflektiert, was sie gut fanden und wo ihre Grenzen liegen. „Das ist ein Unterricht, der sehr echt ist“, sagt der Pädagoge. „Es geht nicht darum, Inhalte abzuspulen. Die Schüler sind direkt involviert.“

    Das Ganze habe nichts mit harmonieschwangerem Zudecken von Problemen zu tun, betont Simon-Winter. „Nicht jede Unterrichtsstunde ist super“, sagt sie. „Es gibt Stunden, da brechen Konflikte auf.“ Aber genau das sei es, was die vier Lehrer wollten. Ein Lächeln breitet sich auf dem Gesicht der Pfarrerin aus, als sie sagt: „Konflikte können nur bearbeitet werden, wenn sie zum Vorschein kommen.“

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