Delegation aus dem Kreis Offenbach besucht interreligiöse Kita „Irenicus“
Toleranz in der frühen Kindheit erlernen
(p)
10.04.2023
stk
Artikel:
Download PDF
Drucken
Teilen
Feedback
Wie können religiöse Toleranz und gegenseitige Wertschätzung bereits in der frühen Kindheit erlernt werden, um antidiskriminierende Haltungen und Einstellungen zu entwickeln? Diese Fragestellungen treibt Erziehende, Eltern und pädagogische Fachkräfte um und steht immer wieder im Zentrum der Fort-und Weiterbildungen des interreligiösen Präventionsprojektes „Glaube.Gemeinsam.Gestalten.“ im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau, das vom Hessischen Landesprogramm „Hessen aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ gefördert wird. So organisierte Projektstelleninhaberin Dagmar Gendera kürzlich eine Exkursion zu Deutschlands erster und einziger multireligiöser Kita „Irenicus“ in Pforzheim. Bei dem Besuch informierte sich eine Delegation, bestehend aus Vertreterinnen des Kreisausländerbeirats des Kreises Offenbach, Kita-Leiterinnen, der Kita-Geschäftsstelle im Kirchenkreis, des Zentrums Bildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), des Evangelischen Dekanats Dreieich-Rodgau sowie Elternvertreterinnen des türkisch-muslimischen Landesverbandes DITIB Hessen vor Ort über das Konzept der Einrichtung.
Die Besucherinnen und Besucher erhielten Einblicke in die Räumlichkeiten sowie in die konkrete pädagogische Arbeit. In drei Gruppen gewannen die Teilnehmerinnen praktische Eindrücke, wie im Morgenkreis mit den Kindern wertschätzend und teilhabend das Thema „Ramadan“ erarbeitet wird. Im Anschluss stellten die sieben Gesellschafter der Kita, bestehend aus Vertreterinnen des Bündnisses unabhängiger Muslime im Enzkreis, des Caritasverbandes Pforzheim, der Evangelischen Kirche und der Diakonie Pforzheim, der jüdischen Gemeinde Pforzheim, der Katholischen Kirche und des Yezidischen Zentrums Baden-Württemberg dar, was sie bewogen hat, eigens eine Gesellschaft zu gründen, um die Kindertagesstätte als GmbH zu betreiben. Dieses einzigartige Organisationsmodell lasse es zu, dass sich alle Gesellschafter*innen verantwortlich fühlen und auch gemeinsam die gleiche wirtschaftliche Verantwortung für das Unternehmen trügen, führte dazu Dekanin Christiane Quincke vom Evangelischen Dekanat Pforzheim aus. Für die religiösen Verbände, die keine Steuereinnahmen empfangen und mit rein ehrenamtlich tätigen Kräften arbeiten, sei dies natürlich ungleich schwieriger umzusetzen als für die großen christlichen Kirchen.
Der Vertreter der Yezidischen Gemeinde betonte, dass es enorm wichtig sei für die eigene Gemeinde, in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen zu werden. Dass es vor Ort eine Kita gebe, die Kinder an die unterschiedlichen Glaubensvorstellungen heranführt und wo sie erlernen, sich gegenseitig zu respektieren, lege wichtige Grundlagen für das Zusammenleben der Religionen in der Stadtgesellschaft. Die Gesellschafter versuchen auch, durch Drittmittel und Spenden entsprechende Defizite oder Anschaffungen zu realisieren.
Zur inhaltlichen und konzeptionellen Ausgestaltung ist dem Gremium ein Beirat zugeordnet, der die wissenschaftliche Begleitung durch Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich Schweitzer und sein Team der Uni Tübingen mitinitiiert hat. Die Anwesenden erfuhren, dass Ansätze immer wieder auf Praxistauglichkeit überprüft werden. So werden inzwischen nicht mehr alle Feiertage der in der Kita vertretenen Religionen gefeiert, sondern nur die besonders relevanten.
Die gleichberechtigte Begegnung zu fördern, gelinge auch durch Einbindung der Eltern. Diese in die religionspädagogische Arbeit einzubeziehen, so Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich Schweitzer, sei wichtig, um sich ganzheitlich als lernende Einrichtung zu begreifen, die in den Reflexionsphasen auch immer wieder die Auswirkungen der Ansätze auf Kinder, deren Eltern und das Team reflektiere und diese Erfahrungen auch transferiere – beispielsweise auch an andere Initiativen und Vorhaben. „Spätestens, wenn die erste multireligiöse Kita im Kreis Offenbach eröffnet wird, sehen wir uns wieder!“ So die Abschiedsfloskel, die aber keine bleiben muss.
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken