Ewiges Leben
Was passiert mit den Gräbern von Obdachlosen?
Thomas Max Müller02.12.2013 esz Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Ein schlichtes Holzkreuz mit dem Namen sowie Geburts- und Sterbejahr markiert das Grab von Thomas Einloth auf dem Dotzheimer Waldfriedhof. Eine Grabeinfassung aus Stein gibt es nicht, Unkraut hat sich breit gemacht.
Freiwillige jäten, damit Gräber nicht verwildern
Elena Kertesz, Hauswirtschafterin im Übergangswohnheim für alleinstehende Wohnungslose in Wiesbaden, holt eine kleine Harke und eine kleine Schaufel aus der Tasche und beginnt gemeinsam mit Sylvette Held und Madalena Oliveira das Unkraut zu jäten.
Held und Oliveira leben seit eineinhalb Jahren im Übergangswohnheim und hoffen beide, bald eine eigene Wohnung zu finden. Sie gehören zu den derzeitigen Bewohnern des Heims, die regelmäßig mit Kertesz auf den Wiesbadener Friedhöfen unterwegs sind. Sie pflegen knapp 50 Gräber von ehemals Wohnungslosen, um die sich sonst niemand kümmert. „Ich helfe gerne“, sagt Held. Vor einigen Jahren ist aufgefallen, dass die Gräber der Wohnungslosen verwildern. In einer Teamsitzung haben sich Mitarbeiter des Übergangswohnheims, der Straßensozialarbeit, der Teestube und des Betreuten Wohnens verständigt, das ändern zu wollen.
Jeder soll einen würdigen Abschied haben – auch ohne Angehörige
Birte Prawdzik, ehemalige Arbeitsbereichsleiterin im Übergangswohnheim des Diakonischen Werks, übernahm das Projekt schließlich für ihre Einrichtung. „Manche hatten vor ihrem Tod jahrelang auf der Straße gelebt und keine Anbindung mehr an Familie oder Freunde“, sagt Michael Kiel, Sozialarbeiter im Übergangswohnheim. Einen würdigen Abschied wolle man ihnen dennoch ermöglichen. Wenn ein Beerdigungstermin von Obdachlosen oder ehemals Obdachlosen bekannt ist, gehen Bewohner und Mitarbeiter von Übergangswohnheim oder Teestube deshalb zu den Beerdigungen. Jeder wolle doch von anderen Menschen bedacht werden, fügt Kiel hinzu.
„Das waren Menschen mit Gefühlen, auch wenn sie von der Straße kamen.“
Helfer für die Grabpflege zu finden sei nie ein Problem, betont Kertesz. Es gebe immer genügend Freiwillige, die mit ihr auf den Friedhof fahren. Sie selbst hat die meisten Verstorben gekannt, deren Gräber auf ihrer Liste stehen. „Das waren Menschen mit Gefühlen, auch wenn sie von der Straße kamen“, sagt sie. Sich an sie zu erinnern sei ein Akt des Gedenkens an die Verstorbenen und der Anteilnahme, so Kiel.
Freiwillige gibt es genug aber es mangelt an Zeit und Geld
Als Kertesz gemeinsam mit den Helfern vor vier Jahren mit der Grabpflege begonnen hat, war das Schwerstarbeit. Die Böden waren hart, Unkraut hatte sich jahrelang ungehindert breit gemacht. Durch die regelmäßige Pflege seien die Böden lockerer geworden und das Unkraut wachse nicht mehr so hoch. Aber mehr als einmal pro Jahr kommen die wenigsten Gräber an die Reihe. Dazu fehlen Zeit und Geld. Das Projekt ist rein spendenfinanziert. „Je nachdem, wie viel Geld wir haben, kann ich viele oder wenige Pflanzen kaufen“, sagt Kertesz und pflanzt auf das Grab von Erich Mahl eine rot blühende Erika.
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