Dekanat Rodgau

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    „NeSt“ oder Kinderheim

    Betreuungsprojekt bereitet Problemfamilien auf ein gemeinsames Leben vor

    Rainer Sturm/pixelio.deKinder

    Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind, üben in einer Einrichtung des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau den Alltag ein. Die Jugendämter wollen so vermeiden, Kinder in Obhut nehmen zu müssen.

    Hatice Serimci (Name geändert) steht jeden Tag um 6 Uhr auf und fährt 40 Kilometer von Frankfurt am Main nach Wiesbaden, um mit ihrem fast einjährigen Sohn Seral den Tag zu verbringen. Er lebt in Wiesbaden im „NeSt“. Das Kürzel bedeutet „Neuer Start“ und ist ein Betreuungsangebot des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau (EVIM). Ein Familiengericht hat die Trennung angeordnet. Warum, will die Mutter nicht sagen.

    Im Januar ist das „NeSt“ an den Start gegangen. Es bietet fünf Plätze für Babys und Kleinkinder bis drei Jahre. „Es sind sehr kleine Kinder, die sehr gefährdet waren“, beschreibt Christa Enders, Leiterin des Wiesbadener Amts für Soziale Arbeit. Ihre Eltern hatten sie vernachlässigt, misshandelt, missbraucht. „Es gibt Fälle, die man ambulant nicht geregelt bekommt“, sagt Enders.

    Mütter kommen morgens und gehen abends wieder

    Für Jugendämter ist eine komplette Herausnahme von Kindern aus ihren Familien nur der letzte Schritt. Das „NeSt“ liegt einen Schritt davor. Die Kinder bleiben dort den ganzen Tag, die Eltern - meist sind es jedoch nur die Mütter - kommen morgens und gehen abends wieder. Sie wohnen im gesamten Rhein-Main-Gebiet. Das Wiesbadener Jugendamt und der Verein für Innere Mission haben das Angebot zwar gemeinsam entwickelt, es ist aber auch für andere Jugendämter offen, die einen Platz für ein gefährdetes Kind suchen.

    Enders unterstreicht, dass am Ende der Maßnahme sowohl die Rückkehr nach Hause als auch die dauerhafte Unterbringung in einer Pflegefamilie stehen könne - je nachdem, welche Fortschritte die Eltern machten. In der Regel schließt sich an die „NeSt“-Zeit eine niedrigschwelligere Hilfe an, etwa eine ambulante Betreuung. „Meistens sind die Eltern ja nicht sadistisch, aggressiv oder ablehnend“, sagt Enders. „Sie wollen gute Eltern sein. Sie sind nur massiv überfordert.“

    Jugendamt betreut mehrere zehntausend Kinder

    Jahr für Jahr nehmen die Jugendämter mehr Kinder und Jugendliche in Obhut, die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden beziehen sich auf das Jahr 2014. Danach traf es 2014 mehr als 48.000 Kinder und Jugendliche, im Jahr davor waren es 42.000. Das liegt teilweise an der Zunahme der Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, aber mit mehr als 17.000 Fällen gibt das Bundesamt „Überforderung der Eltern oder eines Elternteils“ als häufigste Ursache an. Mehr als 4.000 der in Obhut genommenen Kinder waren jünger als drei Jahre.

    Jedes Kind hat ein eigens Zimmer

    Im „NeSt hat jedes Kind sein eigenes Zimmer, in dem tagsüber auch die Mutter oder der Vater wohnt. Darin stehen ein Bett, ein Wickeltisch, ein Schrank. In einem großen Gemeinschaftsraum essen und spielen sie zusammen. Hatice Serimci schätzt die familiäre Atmosphäre, wie sie sagt. Ja, manchmal gebe es auch Konflikte mit den  Mitarbeiterinnen des Vereins für Innere Mission. Die Regeln seien für sie mitunter nicht leicht einzuhalten.

    Viele Eltern sind nicht ganz freiwillig hier. Meist würden sie von Familiengerichten vor die Entscheidung gestellt, es entweder im „NeSt“ zu versuchen oder ihr Kind dauerhaft zu verlieren, erläutert Monika Jäger, die „NeSt“-Leiterin. „Da haben wir im Alltag schon ordentlich viele Reibungspunkte“, beschreibt sie die Arbeit.

    Nach einem halben Jahr sollen die Eltern alleine zurechtkommen

    Mitarbeiter des Vereins für Innere Mission kümmern sich um Kinder und Eltern. Gemeinsam üben sie den Alltag ein. Nach spätestens einem halben Jahr sollen die Eltern allein zurechtkommen. Wenn nötig, erhalten sie auch flankierend Hilfe, etwa eine Psycho- oder eine Suchttherapie.

    Mit Modellen wie dem „NeSt“ gebe es keine Erfahrungen, es sei bundesweit einzigartig, sagt Hans Haag, stellvertretender Fachbereichsleiter der Jugendhilfe bei der Inneren Mission. Daher begleite das Institut für Sozialpädagogik und Sozialarbeit in Frankfurt am Main das Projekt wissenschaftlich.

    Hatice Serimci will nach ihrer Zeit im „NeSt" mit ihrem Sohn und ihren beiden anderen Kindern zusammenleben. Im September wird sie mit ihnen in eine Einrichtung ziehen, die Familien stationär betreut.

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