Unternehmer tauschen sich aus
Familie und Beruf: Wie gelingt die Balance?
Deschner/EKHNHakte charmant nach: ZDF-Moderatorin Petra Gerster setzte die Impulse in der Gesprächsrunde15.07.2015 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Erstmals hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem gesamten Kirchengebiet zu einem sommerlichen Empfang in das Frankfurter Dominikanerkloster eingeladen. Fast 200 Frauen und Männer, die in der Wirtschaft eine herausgehobene Verantwortung haben, trafen sich dazu am Mittwochabend zum Thema "Gesellschaft, Wirtschaft, Familie. Beziehungen, die Menschen stark machen".
Herausfinden, was dem Leben dient
Kirchenpräsident Volker Jung betonte in einem Impulsvortrag, dass Menschen von Beginn an auf ein Leben in Beziehung angewiesen seien. Dies gelte sowohl im privaten als auch im wirtschaftlichen Bereich. Aus der Bibel heraus gebe es eine Fülle von Anregungen menschliche Beziehungen lebensdienlich zu gestalten, so Jung. Zwar gebe es keine genauen Vorschriften, aber die Anweisung, "miteinander herauszufinden, was dem Leben dient". Leitlinen sind nach Worten Jungs dafür vor allem die Erkenntnis, dass "Menschen nicht Mittel zum Zweck" sein dürfen. Der Staat und die Wirtschaft seien um der Menschen willen da und nicht umgekehrt, so Jung.
Gerechtigkeit anstreben
Zudem sei die Einsicht wichtig, dass "Leben nur dann dauerhaft und friedlich gelingt, wenn es gerecht zugeht". Dies müsse auch für die Familienpolitik gelten. Familien ließen sich aber "nicht einfach dadurch stärken, dass moralische Appelle ins Land geschickt werden - bis hin zu der Aufforderung, es müssten doch mehr Kinder geboren werden", so Jung. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine besondere Rolle zukäme.
Disziplin und Prioritäten abwägen
Durch die anschließende Vortrags- und Diskussionsrunde hatte die ZDF-Moderatorin Petra Gerster geführt. Mit Blick in das Kirchenschiff der Heiliggeistkirche bemerkte sie: „Die Kirche ruft - und die Unternehmer kommen. Die Kirche ist fast voll!“
Zu hören waren die Erfahrungen der Geschäftsführerin Isabel Hahn. Die studierte Betriebswirtin leitet in fünfter Generation das Traditionsunternehmen „Glasbau Hahn“, das unter anderem Vitrinen für Museen herstellt. Die Mutter einer 6-jähringen Tochter macht deutlich, dass sie durch viel Disziplin und dem ständigen Abwägen von privaten und beruflichen Prioritäten ihr Leben gestalte. Allerdings kenne sie auch den Gedanken einer berufstätigen Mutter, nicht genug für das eigene Kind da zu sein. „Die Zeit von 18 bis 21 Uhr abends gehört dann aber meiner Tochter, danach sitze ich wieder am Computer“, erklärt Geschäftsführerin Hahn. In ihrem Vortrag hatte sie bereits betont, dass sie in ihrer Familie gelernt habe, Verantwortung zu übernehmen. Besonders wichtig war Isabel Hahn: „Die Familie gibt mir Kraft und Sicherheit, sie ist die Basis.“
Privater Rückhalt als Basis
Wie entscheidend ein grundsätzliches Gefühl von menschlichem Rückhalt ist, bestätigte auch Kirchenpräsident Jung. Nachdem er kürzlich seine beiden Töchter gefragt habe, ob ihnen etwas gefehlt habe, antworteten die beiden Psychologiestudentinnen: "Manchmal haben wir uns schon mehr Zeit gewünscht, aber wir hatten immer das Gefühl, dass ihr für uns da seid.“
Rollenverteilung in Familien ändert sich – wie reagieren Verantwortliche in Unternehmen?
Einen Wandel der Balance zwischen Beruf und Familie spürt auch Dr. Haral Schaub, Geschäftsführer der Chemischen Fabrik Budenheim und Vorsitzender der Chemieverbände Rheinland-Pfalz. Er berichtet: „Bei uns arbeiten Männer, die von fünf auf vier Tage die Woche ihre Arbeitszeit reduziert haben. Und das funktioniert.“ Arbeitszeitmodelle wie Gleitzeit und Homeoffice seien mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Diese Entwicklung bestätigte auch Unternehmerin Isabel Hahn: „Auch unter den gestandenen Handwerkern arbeiten einige halbtags oder haben drei Monate Elternzeit beansprucht. Wir machen das mit, denn unsere Fachkräfte sind uns wichtig.“
Harald Schaub erklärte aber auch, dass es ihm selbst nicht immer gelinge, ausreichend Zeit mit seiner Familie zu verbringen. So bedauerte er: „Das Saxophonkonzert meines Sohnes habe ich leider verpasst, ich war in Indien.“
Kirche will Pfarrern Mut machen, angemessene Grenzen zu setzen
Petra Gerster interessierte sich auch für die Erfahrungen im kirchlichen Bereich. Nachdem Kirchenpräsident Jung auf die spezifischen Unterschiede zwischen den zahlreichen Berufsgruppen in der Kirche hingewiesen hatte, erläuterte er am Beispiel des Pfarrberufs: „Häufig sind Pfarrerinnen und Pfarrer hoch engagiert und es fällt ihnen schwer, angemessene Grenzen zu setzen. Die Kirchenleitung möchte deshalb für Bedingungen sorgen, damit sie den Mut haben, sich einen gewissen Freiraum zu sichern.“
Nachhaltigkeit als Perspektive
Einig waren sich die Diskussionspartner aus Kirche und Wirtschaft, dass in Zukunft ein möglichst nachhaltiges Wirtschaftsmodell angestrebt werden solle, bei dem Wirtschaftlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz berücksichtigt werden. Doch Kirchenpräsident Jung machte deutlich, dass gegenwärtig die Realität noch anders aussehe: „Ich fürchte, dass sich etwas verselbständigt hat, das sich im Moment nicht steuern lässt. Hier steht die Politik vor einer großen Aufgabe.“
(Rahn/Deschner)
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken