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    Interview

    Neuer Militärbischof äußert sich zu Auslandseinsätzen und Kampfdrohnen

    Nicole Kohlhepp

    Ideen aus dem Verteidigungsministerium werden gegenwärtig heiß diskutiert – und mitten in diesem Prozess tritt Dr. Sigurd Rink aus der EKHN sein neues Amt als Militärbischof in Berlin an.

    H. v. TenspoldePortraitDr. Sigurd Rink, der ehemalige Propst für Süd-Nassau in der EKHN, freut sich auf sein Amt als Militärbischof

    Am 15. Juli tritt der ehemalige Propst für Süd-Nassau Sigurd Rink sein Amt als erster hauptamtlicher Militärbischof in Berlin an, der Einführungs-Gottesdienst wird in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gefeiert. Seinen Antrittsbesuch bei  Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat er bereits hinter sich. In einem Interview in der Multimedia-Redaktion der EKHN erzählt er von seinen Gedanken über die Beschaffung von Kampfdrohnen und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Für die Anliegen der Soldaten hat er bereits ein offenes Ohr und dadurch von ihren konkreten Sorgen und Nöten erfahren.  Seine neuen Aufgaben hat er fest im Blick, doch berührt denkt er an seine Zeit in der EKHN zurück: „Ich erhalte auch viele sehr bewegende Briefe, das macht den Abschied schwer.“ Allerdings ist er zuversichtlich, sich schnell in der Hauptstadt einzuleben: „Ich liebe diese Stadt an der Spree und ihren weltoffenen Geist“. Bis 1945 habe seine Familie hier gelebt, so dass er auch hier tief verwurzelt sei. Als Militärbischof will er in den nächsten sechs Jahren in erster Linie seelsorgerlich wirken und die Positionen der evangelischen Friedensethik in die Gesellschaft tragen. 

    Wie sind Sie in Berlin von der Ministerin empfangen worden?

    Sigurd Rink: Es gab ein langes, ausführliches Gespräch unter vier Augen in einer sehr freundlichen Atmosphäre. Ich glaube, sie ist unserem Anliegen sehr nahe. Sie ist ja auch eine sehr überzeugte protestantische Christin – was schön zu wissen ist. Von daher war es ein sehr gutes, erstes Kennenlernen. Sie hat angekündigt, dass sie im Herbst meinen Amtssitz besuchen möchte.

    Werden Sie in Zukunft auch mit Frau von der Leyen aus dem Hubschrauber aussteigen?

    Sigurd Rink: Das Thema des Besuchs in den Auslandseinsätzen gehört dazu. Viele Menschen fragen mich, ob ich Angst davor habe, weil man sich dann in gefährliche Krisensituationen begibt. Angst habe ich nicht, wohl aber eine Menge Respekt. Ob ich mit Frau von der Leyen reisen werde, weiß ich nicht. In jedem Fall aber werde ich aus eigener Initiative auch Auslandseinsätze besuchen. 

    Braucht die Bundeswehr Kampfdrohnen? 

    Sigurd Rink: Das ist eine ganz schwierige ethische Debatte. Unumstritten ist die Frage der Aufklärungsdrohnen, der unbewaffneten Drohnen, bei denen es möglich sein sollte, dass man sie bei einem Einsatz in einem Krisengebiet einsetzt, auch um Attentate zu verhindern. Die entscheidende Frage aber lautet: Sollen diese Drohnen so gestaltet sein, dass sie auch gegebenenfalls mit Waffen bestückt werden können? Darüber muss das Parlament in naher Zukunft entscheiden. Es gibt auch sehr gute Gründe dagegen. Vielleicht kann man hier wie in anderen ethischen Fragen den Fraktionszwang aufheben, damit jeder Politiker nach seinem Gewissen entscheiden kann.

    Wie bringen Sie die biblische Botschaft des Friedens in Einklang mit Ihrer neuen Position?

    Sigurd Rink: Die biblische Botschaft ist ganz klar auf Frieden angelegt. Und das Leitbild, dem wir nachfolgen, ist der gerechte Friede. Es gibt bestimmte Situationen, in denen man nicht um den Einsatz rechtserhaltender Gewalt herumkommt, d.h. für bestimmte Dinge braucht man die Bundeswehr. Aber die Generallinie ist klar: Es geht um gerechten Frieden.

    Können Sie ein Beispiel für einen möglichen Einsatz von rechtserhaltender Gewalt nennen?

    Sigurd Rink: Es gilt das absolute Primat, das wir versuchen, Konflikte mit zivilen Mitteln zu lösen. Aber es gibt Grenzsituationen, in denen man damit nicht weiterkommt. Ein gegenwärtiges Beispiel ist die zentralafrikanische Republik. Die dortigen Entwicklungshilfemissionen sagen uns, dass sie mit ihrer Hilfe nicht mehr weiterkommen. Sie müssen ihre Hilfe abziehen. Sie sind der Auffassung, dass sie überhaupt nur noch dort sein können, wenn wir sie beschützen und abschirmen. In solchen Situationen kann es unter Umständen nötig sein, in der Völkergemeinschaft über einen Einsatz  nachzudenken.

    Die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fordert gegenwärtig, dass sich die Bundeswehr stärker an Friedensmissionen beteiligen solle. Im Moment sind rund 260 deutsche Soldaten in diesem Rahmen in Mali und vor der Küste des Libanon aktiv. Welche Haltung haben Sie dazu?

    Sigurd Rink: Ich bin mir erstmal unsicher, ob man sie so verstehen kann. In der Tat haben der Bundespräsident und Frau von der Leyen gesagt, dass wir uns nicht an die Seite stellen können, wir sind Teil der Völkergemeinschaft. Das Hauptthema aber ist, dass wir vorher, bevor wir einen Einsatz beginnen, eine klare Konzeption haben müssen. Damals in Afghanistan ist man quasi reingeschwappt. Wenn es jetzt um Afrika geht, muss vorher klar sein, zu welchem Ziel der Einsatz stattfindet, was sich verbessern soll und wie die sogenannte Exit-Strategie aussieht, also wie man wieder aus dem Einsatz herauskommt. Es geht nicht um mehr oder weniger Einsätze, sondern darum, dass man sich Gedanken darüber macht, wann ein Einsatz wirklich sinnvoll ist - und zwar in Begleitung ziviler Maßnahmen.

    Welche zivilen Maßnahmen wären das?

    Sigurd Rink: Die Entwicklungsorganisationen und die Entwicklungszusammenarbeit sind hier sehr stark aufgestellt - auch die kirchlichen Hilfsorganisationen wie Misereor oder Brot für die Welt. Dann geht es darum zu klären, wie man in einem Land, in dem Chaos herrscht, anschließend die Institutionen, das Bildungssystem oder die Gesundheitsversorgung wieder aufbauen kann. Wenn das funktioniert, ist am Ende wirklich etwas gewonnen. Militär kann nicht selbst Frieden schaffen, sondern nur die Aktionen flankieren.

    Der zivile Friedensdienst hat das Ziel, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Wie schätzen Sie die Bedeutung dieser Organisation als künftiger Militärbischof ein?

    Sigurd Rink: Ich schätze das sehr. Ich bin selbst in zivilen Friedensdiensten unterwegs gewesen, hauptsächlich in Nordirland. Da habe ich gelernt, dass es ganz wichtig ist, wenn viele Menschen an vielen Orten viele kleine Schritte gehen, um den Frieden zu fördern.

    Was halten Sie vom Konzept der Bundesverteidigungsministerin, die Bundeswehr familienfreundlicher zu machen?

    Sigurd Rink: Es geht ja weniger darum, in den Krisenherden der Welt eine Windel-Offensive zu starten. Aber es gibt viele Menschen in Deutschland, die in und für die Bundeswehr arbeiten. Und da ist das Thema Familienfreundlichkeit angesagt. Man muss sich einfach vorstellen, dass die Leute bisher oft versetzt wurden, und was das für eine Familie mit zwei oder drei Kindern bedeutet. 

    Wann haben Sie zum letzten Mal eine Kaserne von innen gesehen?

    Sigurd Rink: Ich selbst habe ja nicht gedient, aber zu meiner Propstei in Süd-Nassau gehörte auch die Kaserne in Diez, zu der wir regen Kontakt hatten in Form von Gottesdiensten und Gesprächsabenden. 

    Besuchen Sie auch die Soldaten in Deutschland?

    Sigurd Rink: Ja, auch hier gibt es rund 100 Standorte, die besucht werden wollen. Im August geht es los mit der Marine in Rostock, bei der ich zwei Tage verbringen werde. Und dann geht es Schritt für Schritt weiter.

    Haben Sie bereits mit Soldaten und Angehörigen der Bundeswehr gesprochen?

    Sigurd Rink: Das hessische Kommando in Wiesbaden habe ich bereits besucht. Auch in diesen Teilen der Bevölkerung gibt es viele Menschen, die christlich oder evangelisch geprägt sind und denen die Fragen christlicher Friedensethik sehr nahe sind. Von daher waren es sehr intensive Erstkontakte.

    Was bewegt die Soldaten?

    Sigurd Rink: Zunächst einmal bewegen sie die enormen Veränderungsprozesse der Bundeswehr. Die Bundeswehr, der früher einmal an die 500.000 Hauptamtliche angehörten, soll nur noch 185.000 haben. Dieser unglaubliche Transformationsprozess ist auch mit Wohnort- und Dienststellenwechseln verbunden. Das bewegt die Leute sehr stark.

    Sie sind der erste hauptamtliche Militärbischof. Haben Sie jetzt mehr Zeit für die Arbeit als ihr Vorgänger, oder ändert sich etwas an den Strukturen Ihres Arbeitsfeldes?

    Sigurd Rink: Bisher wurde das Amt nebenamtlich geführt. Stellen Sie sich also vor, der hiesige Kirchenpräsident würde nebenbei noch das Amt des Militärbischofs ausführen. Das geht nicht mehr, denn die Bedeutung des Themenfeldes und der Arbeitsbereich mit über hundert Pfarrern und Mitarbeitern sind so groß, dass es so einfach nicht funktioniert. Wenn wir mehr Kirche, mehr Theologie in dieses Arbeitsfeld bekommen möchten, dann muss mindestens eine Person an dieser Stelle stehen, die ein Augenmerk darauf hat und sich dafür engagiert. 

    Zur Person:
    Sigurd Rink wurde 1960 in Frankfurt am Main geboren und studierte Theologie in Marburg, Heidelberg und München. Er war elf Jahre Gemeindepfarrer in Usingen und Königstein-Falkenstein. In dieser Zeit promovierte er in Theologie und absolvierte ein Studium zum Kommunikationswirt. Von 1998-2002 war Rink persönlicher Referent des Kirchenpräsidenten der EKHN und von 2000-2002 gleichzeitig auch Pressesprecher der EKHN. Seit 2002 ist Sigurd Rink als Propst (Regionalbischof) der leitende Geistliche in der Kirchenregion Süd-Nassau, zu der acht Dekanate mit 320 Pfarrerinnen und Pfarrern sowie 220 Gemeinden gehören. Rink ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

    Die Fragen stellten Andreas Fauth, Tobias Weiler und Rita Deschner

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