Zukunft des Gottesdienstes
Von der Andacht im Tattoo-Studio, rotierenden Predigten und der feststofflichen Gemeinde
Quelle: Kathleen RetzarIm Plenum der Synode sind alle Plätze besitzt - in manchen Gottesdiensten ist das nicht immer der Fall; deshalb werden neue Chancen in den Blick genommen29.11.2019 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Unter dem Titel „Die Krise des Gottesdienstes“ unterzogen Kristian Fechtner, Professor für Praktische Theologie an der Universität Mainz sowie Thomas Hirsch-Hüffell, bis 2018 Leiter des Gottesdienstinstitutes in Hamburg, die sonntägliche Feier einem geistlichen Stresstest.
Geistliche Überforderung
Kristian Fechtner widersprach zunächst dem Eindruck, dass sich der Gottesdienst in einer Krise befände. Im Lauf der Geschichte sei die sonntägliche Feier immer Wandlungen unterworfen gewesen. Angesichts von gegenwärtig 100.000 Gottesdiensten jährlich in Hessen-Nassau könne es niemand verwundern, dass viele eine „geistliche Überforderung“ empfänden. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Angebote immer weiter ausgeweitet und differenziert worden. Fechtner sprach sich für eine „Logik der Konzentration“ aus. So könnten traditionelle Feiern ausgereifter Predigt beispielsweise an bestimmten Orten konzentriert werden.
Gottesdienst elementar
Daneben könnte auch „Gottesdienst elementar“ stattfinden. Dazu könnten Gemeinden Kirchen öffnen, Glocken läuten, Kerzen brennen und die Gelegenheit zum stillen Gebet geben. Zudem könne der Wochentakt der Gottesdienste durch eine neue Abfolge ersetzt werden, der für Entlastung sorge. Der Grundrhythmus der Kirchenjahreszeiten mit Advent, Weihnachten, Passion, Ostern, Pfingsten, Erntedank und Totensonntag könnten zu einem neuen Gerüst mit besonderen gottesdienstlichen Höhepunkten werden.
Paradoxe Themen
Für den früheren Leiter des Gottesdienst-Instituts der Nordkirche in Hamburg, Thomas Hirsch-Hüffell ist es eine große Herausforderung, mit biblischen Inhalten Gotteshäuser zu füllen. Dass niemand bei Themen wie dem Tod oder Paradoxen wie Christi Himmelfahrt „in die Hände klatscht“, sei auf den ersten Blick einleuchtend. Dennoch seien es Themen, die tief ins Leben eingreifen und die Menschen bewegen. Er sieht er die Rolle des Gottesdienstes zwischen der Begegnung mit dem Unergründlichen, der Bearbeitung menschlicher Befindlichkeiten, dem Erleben einer Feier und der Notwendigkeit zur Aktualisierung.
Andere Sitzordnung
Hirsch-Hüffel sprach sich für eine stärkere Kooperation und Rotation von Predigerinnen und Prediger aus. „Eine Predigt kann auch auf Tournee gehen“. Auch Andachten sollten ernster genommen werden. Als Beispiele nannte er Kurzformen von Gottesdiensten an ungewöhnlichen Orten, an denen Menschen für sich Sinn suchen würden. So könnten Andachten auch in einem im Tattoo-Studio stattfinden. Auch über die Sitzordnung in Kirchen müsse dringend nachgedacht werden. Die traditionelle Ausrichtung nach vorne stamme aus der monarchischen Zeit und entspräche nicht mehr heutigem demokratischem Empfinden. In rein digitalen Gottesdiensten im Internet sieht er nicht die Zukunft. Dennoch böten sich faszinierende Möglichkeiten im Zusammenspiel von „feststofflicher und virtueller Gemeinde“ etwa beim Gebet.
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