Zusammenfassung Herbstsynode 2014
Klare Finanzen, mehr Hilfen, neue Posten und keine Judenfeindschaft
Esther Stosch24.11.2014 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Frankfurt a.M.. Die Herbsttagung der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ist am Samstagabend mit der Verabschiedung des 550 Millionen Euro umfassenden Haushalts für das kommende Jahr, zusätzlichen Hilfen für Flüchtlinge und Planungen zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 zu Ende gegangen. Zudem wählten die 151 Delegierten, die seit Mittwoch in Frankfurt zusammengekommen waren, Oliver Albrecht zum neuen Propst für Süd-Nassau. Der oberhessische Propst Matthias Schmidt wurde im Amt bestätigt. Fördern will die EKHN auch ein neues Projekt des weltweiten Ökumenischen Rats der Kirchen, das sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzt. Zudem distanzierte sich das „Kirchenparlament“ im Vorfeld der 500-Jahr-Feiern zur Reformation von den judenfeindlichen Aussagen Martin Luthers. Die EKHN hat knapp 1,7 Millionen Mitglieder. Das Kirchengebiet reicht von Biedenkopf im Norden über Frankfurt bis Neckarsteinach im Süden und von Schlitz im Osten über Mainz bis Bingen im Westen. Rund ein Fünftel der hessen-nassauischen Kirche liegt in Rheinland-Pfalz.
Finanzen: Kirche setzt auf kaufmännische Rechnung
Die Synode beschloss in Frankfurt den 550 Millionen Euro umfassenden Etat für 2015 (Vorjahr: 556 Millionen Euro). Er ist der erste, der auf dem kaufmännischen Rechnungssystem basiert, das in der Wirtschaft üblich ist. Ab 2016 soll die sogenannte „Doppik“ in allen Kirchengemeinden Standard werden. Der Haushalt geht für 2015 von 465 Millionen Euro Einnahmen durch die Kirchensteuer aus. Für das laufende Jahr wird mit einer leicht über dem Planansatz von 445 Millionen Euro liegenden Kirchensteuer (Vorjahr 436 Millionen Euro) gerechnet. Größte Posten im Budget für das kommende Jahr sind unter anderem die Zuweisungen an die Kirchengemeinden mit fast 103 Millionen Euro sowie gut 41 Millionen Euro Eigenmittel für die 600 evangelischen Kindertagesstätten mit rund 40.000 Plätzen. Dagegen stimmte die Synode einer zusätzlichen Anschubfinanzierung über 400.000 Euro für die neue Evangelische Akademie am Frankfurter Römerberg nicht zu.
Flüchtlingshilfe: Erneut eine Million Euro bereitgestellt
Für die Arbeit mit Flüchtlingen wird die EKHN im kommenden Jahr eine Million Euro bereitstellen. Unterstützt werden soll damit die Arbeit von Gemeinden, Dekanaten und evangelischen Einrichtungen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Dazu gehören beispielsweise Hilfen bei der Unterbringung, soziale Betreuung oder Sprachkurse. Bereits 2013 hatte die Synode insgesamt eine Million Euro zur Verfügung gestellt, mit denen inzwischen 30 Hilfsprojekte umgesetzt werden konnten.
Gerechtigkeit: Weltweite Initiative wird unterstützt
Die EKHN will ihr Engagement gegen Ungerechtigkeit und Krieg verstärken. Sie wird sich deshalb an der internationalen Aktion „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ mit 200.000 Euro beteiligen. Die Initiative des weltweiten Ökumenischen Rats der Kirchen will in den kommenden sieben Jahren Antworten auf globale Herausforderungen des Wirtschaftens, der Umwelt und Politik sowie des Glaubens suchen helfen. Der Begriff Pilgerweg ist dabei ein übertragenes Bild, das für die Schritte zu möglichen Veränderungen steht. Bei der Aktion sollen beispielsweise Projekte zur Armutsbekämpfung oder in der Flüchtlingsarbeit international vernetzt werden.
Wahlen: Oliver Albrecht neuer Propst für Süd-Nassau
Oliver Albrecht ist der neue Propst für Süd-Nassau. Die Synode wählte den 52 Jahre alten evangelischen Theologen im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit zum geistlichen Repräsentanten für das Kirchengebiet rund um Wiesbaden. Er tritt seinen Dienst im März 2015 an. In seiner Bewerbungsrede forderte der Idsteiner Dekan, bei allen organisatorischen Fragen in der Kirche, die geistliche Dimension nicht aus dem Blick zu verlieren sowie Nächstenliebe und politisches Engagement zu verbinden. Zugleich wurde Matthias Schmidt (50) als Propst für Oberhessen für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt. Er sprach sich dafür aus, die „gesellschaftsverändernde Kraft des Evangeliums“ stärker in die Öffentlichkeit zu bringen.
Judenfeindschaft: Luther kritisch in den Blick nehmen
Deutlich hat sich die Synode im Vorfeld der 500-Jahr-Feiern zur Reformation 2017 bei ihrer Tagung von den judenfeindlichen Spätschriften Martin Luthers distanziert. Die Haltung des Reformators zum Judentum des 16. Jahrhunderts sei nicht vereinbar mit dem Bekenntnis der EKHN. Die Aussagen der sogenannten „Judenschriften“ Luthers stünden im Widerspruch zum 1991 erweiterten Grundartikel der Kirchenordnung und der dort festgestellten „bleibenden Erwählung der Juden“. Damit solle nicht die zentrale Bedeutung des Reformators für den Protestantismus in Frage gestellt, aber auf seine problematische Einstellung zum Judentum als „belastendem Erbe“ der Reformation aufmerksam gemacht werden. Der Beschluss soll auch an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) weitergeleitet werden, von der die EKHN eine deutliche Positionierung erwartet.
Reformationsjubiläum: Drei Millionen Euro für die Vorbereitung
Das 500. Jubiläum der Reformation im Jahr 2017 soll in Hessen und Nassau intensiv gefeiert werden. Dafür hat die Synode ein eigenes Projektbüro mit drei Millionen Euro ausgestattet. Ab 2015 sollen damit Veranstaltungen vor Ort und gesamtkirchliche Projekte sowie die Medienarbeit für das Reformationsjubiläum unterstützt werden. Daneben sollen unter anderem ein deutschlandweiter „Stationenweg“ zum Fest, der Kirchentag 2017 in Berlin und Wittenberg sowie die Weltausstellung des Protestantismus in der Lutherstadt Wittenberg gefördert werden.
Fluglärm: Thema bleibt bei der Kirche auf der Tagesordnung
Die Delegierten haben sich in Frankfurt auch dafür ausgesprochen, die Diskussion über das Thema Fluglärm weiter intensiv fortzusetzen. Dabei sollen insbesondere religiöse Fragen um Lärm und Stille stärker in den Blick genommen werden. Die Kirchenleitung wurde aufgefordert, die Belange von Religionsgemeinschaften künftig bei der Planung von Großprojekten mehr einzubringen. Nachdem alle bisherigen Apelle, Solidaritätserklärungen und Resolutionen zum Fluglärm wirkungslos geblieben seien, hat die Kirchensynode die hessen-nassauische Kirchenleitung gebeten, weitere Maßnahmen zu prüfen. Dazu gehört auch ein möglicher Klageweg.
Krippenanschub: 900 neue Plätze für 8 Millionen Euro
Die EKHN hat in den vergangenen fünf Jahren in ihrem Gebiet 80 neue Krippen für rund 900 Kinder unter drei Jahren eingerichtet, wie aus einem Synodenbericht hervorgeht. Zum Anschub investierte sie acht Millionen Euro in Gebäude, Betriebskosten, Fachberatung und Schulung. Damit betreiben von den knapp 600 Kindertagesstätten der EKHN jetzt 161 Einrichtungen 215 Krippengruppen.
Theologiestudierende: Interesse am Pfarrberuf wächst
Das Interesse am Pfarrberuf wächst, geht aus dem aktuellen Personalbericht hervor. So sehen derzeit 269 Theologiestudierende ihre Zukunft als Pfarrerin oder Pfarrer bei der EKHN. Im vergangenen Jahr hatten sich noch 262 junge Männer und Frauen auf die Listen der hessen-nassauischen Kirche eingetragen, mit denen sie traditionell ihr Interesse an ihrem künftigen Arbeitgeber signalisieren. Zugleich verstärkt die EKHN ihre Suche nach Nachwuchs etwa mit einem neuen Internetauftritt unter dem Motto „Mach doch was du glaubst!“.
Propsteigebiete: Grenzen können neu gezogen werden
Der Weg für eine neue Grenzziehung bei den Propsteien ist frei. Ein erster Entwurf, der den Delegierten vorgestellt wurde, sieht vor, die Propsteibereiche von bisher sechs auf fünf zu reduzieren. Die Neuordnung würde vor allem Rhein-Main, Süd-Nassau, Starkenburg und Rheinhessen betreffen. Demnach sollen die bisherigen Propsteien Rhein-Main und Süd-Nassau zusammengeführt werden. Dabei würden die Dekanate Diez, Nassau und St. Goarshausen der Propstei Rheinhessen zugeschlagen. Die Dekanate Groß-Gerau, Rüsselsheim, Dreieich und Rodgau gehörten dann künftig zu Starkenburg. Unverändert blieben die Propsteibereiche Nord-Nassau und Oberhessen. Die Beschlussfassung ist für das kommende Jahr vorgesehen.
Gemeinden: Finanz-Zuweisungen nach neuem Schlüssel
Gemeinden in der EKHN erhalten finanzielle Zuweisungen künftig nach einem neuen Schlüssel. Demnach wird die Höhe maßgeblich durch eine gleichmäßige Berücksichtigung der Mitgliederzahlen bestimmt, entschied die Synode in Frankfurt. Für die Zuweisung gilt aber ein Mindestbetrag, der sich auf Ausgaben für den Gottesdienst und für die übrige Gemeindearbeit bezieht. Hinzu kommen noch bestimmte Ausgleichszahlungen. Die neue Regelung soll „Fusionsneutralität“ gewährleisten und damit mögliche Zusammenschlüsse von Gemeinden erleichtern, sie aber zugleich nicht erzwingen.
Gottesdienste: Ehrenamtlicher Dienst neu geregelt
Die EKHN hat den Dienst von Ehrenamtlichen neu geregelt, die Gottesdienste leiten. Die Kirchensynode beschloss, dass wieder Lektorinnen und Lektoren ausgebildet werden. Dies war in den vergangenen Jahren nicht möglich. Wie auch in der alten Regelung bereits möglich, dürfen Ehrenamtliche in besonderen Fällen wie Beerdigungen nach Absprache mit dem zuständigen Dekan oder der Dekanin weiter eine Amtstracht tragen. In der EKHN tun fast 1.300 Prädikantinnen und Prädikanten sowie über 400 Lektorinnen und Lektoren Dienst. Prädikanten verfassen eigenständige Predigten. Lektoren nutzen vorgefertigte Entwürfe im Gottesdienst.
Alle Meldungen zur Synode: www.ekhn.de/synodenberichte
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