Dekanat Rodgau

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    Hinschauen, Verantwortung tragen, Zuversicht

    Kriege und Klimawandel: Mit Weisheit die Welt verändern

    Rebecca KellerFrank-Walter Steinmeier und Kofi Annanvon links: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Kofi Annan, der ehemalige UN-Generalsekretär auf dem Kirchentag 2015 in Stuttgart

    Syrien, Jemen, die Ukraine. Die Welt ist aus den Fugen. Kofi Annan, der ehemalige UN-Generalsekretär, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Bischof Nick Baines sprachen auf dem Kirchentag drüber, was es braucht, um Frieden und Klimaschutz zu fördern.

    • Kofi Annan appelliert an Deutschland, sich für ein internationales Abkommen auf der nächsten UN-Klimakonferenz stark zu machen.
    • Kofi Annan: Weil Wohlstand nicht bedeutet, sich vom Rest der Welt zu isolieren, sei es nötig, Flüchtlinge aufzunehmen. Deutschland sei hier am offensten gewesen, Migranten aufzunehmen. 
    • Laut Außenminister Steinmeier kommt es bei zerstrittenen Konfliktparteien auf Dritte an. Da gebe es mit Kuba und Mali gute Beispiele. „Da dürfen wir uns in Deutschland nicht verweigern.“
    • „Solidarität ist das, was uns menschlich macht“, sagte Kofi Annan. Solidarität beginne „bei dir und bei mir“. In einer globalisierten Welt säßen „alle in einem Boot“. Alle haben gleichermaßen die Verantwortung für Frieden und Gerechtigkeit. „Ich verlasse mich auf Sie.“

    Gerade die Deutschen seien in der Pflicht, sich für Frieden einzusetzen, das bezeichnete Frank-Walter Steinmeier als „Frage der Fairness“ und appellierte an die Deutschen, hier nicht nachzulassen. Der Bundesaußenminister war am Samstag zu Gast bei einem der Hauptvorträge des Evangelischen Kirchentages in Stuttgart. Gemeinsam mit dem früheren Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, und dem britischen Bischof Nick Baines sprach er in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle vor rund 9000 Gästen zum Thema „Die Welt ist aus den Fugen – Wer übernimmt Verantwortung in Krisen und Konflikten?“

    Hat die Welt die Menschen aus Syrien vergessen? 

    „Wo ist Gott?“ Das habe ihn eine alte Frau in einem Flüchtlingslager gefragt, die mit dem Leben, aber nicht mit sehr viel mehr Syrien aus fliehen konnte. „Hat die Welt uns vergessen?“ Mit diesen Fragen sah sich Frank-Walter Steinmeier bei seinem jüngsten Besuch in Flüchtlingslagern konfrontiert. In seinem Vortrag berichtete der Außenminister eindrücklich von seinen Erfahrungen.

    Als dritter Gesprächspartner zwischen Konfliktparteien vermitteln

    Er könne sich an keine Zeit erinnern, in der es so viele Krisen an so vielen Orten zur selben Zeit gegeben hätte. Die Aufgabe der Außenpolitik sei jedoch gleich geblieben „in einer streitbefangenen Welt dem Frieden auf die Sprünge zu helfen“. Wenn zwei Konfliktparteien nicht mehr miteinander reden könnten und jedes Vertrauen ruiniert sei, komme es auf Dritte an, so Steinmeier. Da gebe es mit Kuba, Mali und Jemen gute Beispiele. „Da dürfen wir uns in Deutschland nicht verweigern“, dafür sei er stets in Konfliktregionen der Welt unterwegs. 

    Nach dem Wegbrechen altern Ordnungen wird um Einfluss und Dominanz gekämpft

    Dass sich Krisen derzeit zufällig zur selben Zeit  häuften, daran glaube er nicht. „Es gibt gewaltige tektonische Verschiebungen in unserer kleinen Welt.“ Die alte Ordnung, in der nur West und Ost vorkamen, sei in sich zusammengefallen, eine neue noch nicht an ihre Stelle getreten. Auf der Suche nach einer neuen Ordnung gehe es  auch um Ringen um Einfluss und Dominanz. Nach Steinmeiers Auffassung entlade sich die „Verbindung von mittelalterlicher Barbarei und Internet rund um den Erdball“. 

    Klugheit für Verantwortung, Fairness und Frieden einsetzen

    Auf das Kirchentagsmotto „damit wir klug werden“ eingehend, fragte der Außenminister: „Was können wir tun, damit wir klug werden und aus der Welt einen friedlicheren und gerechteren Ort zu machen?“ Gerade aus christlicher Sicht dürfe man nicht wegsehen, sondern trage im Gegenteil gleichermaßen Verantwortung für sein Handeln wie für sein Nichthandeln. Deutschland sei fest verankert in Bündnissen und profitiere von internationalen Ordnungen. Daher sei es eine Frage der Fairness, dass „starke Schultern mehr tragen müssen als schwache“. 

    Außenminister zeigte sich zuversichtlich

    Die Vereinten Nationen seien zwar nicht der „Sitz der Weltvernunft“, aber „das Klügste, was seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht wurde“. War Deutschland zuerst Objekt einer neuen Weltordnung, sei es doch bald Teil davon geworden. War Deutschland 1945 Brandstifter, sei es heute Stifter von Ordnung. Die Opfer von Krieg mahnten Deutschland heute, hinzuschauen: „Aufhören ist keine Option, Tatenlosigkeit keine Haltung“. Es gebe auch Erfolge, wie in Iran, wo seit zehn Jahren eine friedliche Lösung gesucht worden sei. Auch für die Ukraine hege Steinmeier Hoffnung, ein Waffenstillstand sei möglich. Genauso wie für Israel und Palästina. Steinmeier ermutigte überdies, sich für Flüchtlinge einzusetzen.

    Ehemaliger UN-Generalsekretär: Gabe der Weisheit wird heute mehr denn je benötigt

    Der aus Ghana stammende Kofi Annan (77) war der siebte Generalsekretär der Vereinten Nationen. Angesichts einer veränderten Weltlage würde die Gabe der Weisheit heute mehr denn je benötigt - damit ging er ebenfalls auf die Kirchentagslosung ein. Kofi Annan zeichnete eindrücklich ein weltumspannendes Bild der derzeitigen Konflikte. Auch in Europa herrsche Ernüchterung über das europäische Projekt nach Jahren der Wirtschaftskrise. Wie es zu all dem kommen konnte, versuchte Kofi Annan mit drei Faktoren zu begründen:

    Die Ursachen

    • Erstens seien Ausmaß und Geschwindigkeit der wirtschaftlichen, demographischen und technologischen Veränderungen verantwortlich. Menschen hätten weniger Vertrauen in ihre politischen Führungen. 
    • Der zweite Faktor sei die Erfahrung von Afghanistan, Irak und Libyen, wo die Grenzen von militärischer Macht und Anwendung von Gewalt gezeigt wurden. 
    • Drittens sei gescheitert, globale Institutionen zu modernisieren, um den wechselnden Machtverhältnissen in der Welt Rechnung zu tragen. 

    Positive Entwicklungen, aber Gefahr des Terrorismus bleibt

    Doch man sollte sich nicht von der Angst beherrschen lassen. Er glaube nicht, dass die Welt außer Kontrolle sei. Die Zahl der Hungernden sei reduziert worden. Immer noch würden die meisten Konflikte friedlich beigelegt – „eine große Errungenschaft in der Geschichte der Menschheit“. Und doch scheint man machtlos, dem Terrorismus zu begegnen. Doch man könne im heutigen medialen Zeitalter bei einer Milliarde Smartphones nicht mehr sagen, man habe nichts gewusst. 

    Forderung: Verhandlung geht vor Krieg

    Die Schutzverantwortung der Weltgemeinschaft müsse laut Kofi Annan unbedingt verwirklicht werden. Im Jahre 2005 erklärten alle UN-Mitglieder, ihre eigene Bevölkerung vor Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ethnische Säuberung und Völkermord zu schützen. Das bedeute jedoch noch keine militärische Intervention zu verhindern. Es müsse verhandelt werden, bevor es zu einer bewaffneten Intervention komme. 

    Klimawandel: Deutschland soll sich für internationales Abkommen auf UN-Klimakonferenz stark machen

    Eine zweite Herausforderung sei der Klimawandel. Hier lobte Kofi Annan Deutschland, das sich für erneuerbare Energien einsetze.  Er richtete die Bitte an Deutschland,  sich noch in diesem Jahr für ein internationales Abkommen auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen stark zu machen. Weil Wohlstand nicht bedeute, sich vom Rest der Welt zu isolieren, sei es nötig, Flüchtlinge aufzunehmen. Deutschland sei hier am offensten gewesen, Migranten aufzunehmen. 

    Kofi Annan: Solidarität beginnt bei dir und bei mir

    „Solidarität ist das, was uns menschlich macht“, sagte Kofi Annan. Solidarität beginne „bei dir und bei mir“. In einer globalisierten Welt säßen „alle in einem Boot“. Alle haben gleichermaßen die Verantwortung für Frieden und Gerechtigkeit. Wenn alle solidarisch mit ihren Mitmenschen, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Orientierung, umgehen, können alle dazu beitragen, das zentrale Versprechen der Charta der Vereinten Nationen einzuhalten:  "den Glauben an die Würde und Wert der menschlichen Person". „Ich verlasse mich auf Sie“, rief er vor allem der jüngeren Generation, der Führung des 21. Jahrhunderts, zu.

    Rolle der Kirche: Für Menschen sprechen, die keine Stimme haben

    Bischof Nick Baines vertrat die kirchliche Position: „Kirchen müssen mit einer Stimme sprechen für Menschen, die keine Stimme haben.“ Er warnte davor, dass die Kirche „zu nah an politischen Mächten“ stehe, das sei etwa in Russland und der Ukraine problematisch. Zudem bräuchte man heute ein langfristige Perspektive, was er problematisch sehe, da mit Terrororganisationen wie der IS nicht zu diskutieren sei, da diese den Dialog ablehnten. 

    (Rebecca Keller)

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