Protest gegen Lärm, der krank macht
Ein bisschen Stille mitten im Lärm
Erwin StuflerEinen Moment Durchatmen in der "Stillebox", die einem rheinhessischen Weinberghäuschen nachempfunden wurde. Ulrike Schärf, die Stellvertretende Kirchenpräsidentin (3. von links) und Pfarrer Wolfgang Prawitz vom Kirchensynodalvorstand der EKHN (3. von rechts), machen sich ein Bild.04.06.2015 jl Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Der Lärm-Stille-Stand in Zelthalle 9 auf dem Kirchentag in Stuttgart ist kaum zu verfehlen. Ein Kasten, so groß wie ein Gartenhaus, ist mit Graffiti besprüht und zieht neugierige Besucher aller Altersgruppen an. Mainzer Bürger haben die Lärmbox mitgebracht und am Vorabend aufgebaut. Sie stand bereits auf dem Hamburger Kirchentag 2013. Wer die Tür öffnet und über die Schwelle in ihr Inneres tritt, sieht auf einer Leinwand all das, was nach Angaben der Lärmgegner krank macht. Oder hört es vielmehr: Flugzeuge, die dicht über Hausdächer fliegen. Güterzüge, die direkt an einer Kleinstadt im Mittelrheintal vorbeifahren. Eine Autobahn, deren Lärm auch in einer Stadt noch laut zu hören ist. Die Aufnahmen sind im Rhein-Main-Gebiet entstanden und mussten - ironischerweise aus Lärmschutzgründen – für die Lärmbox sogar von den originalen 118 Dezibel auf unter 80 Dezibel heruntergepegelt werden.
Neu dabei: die Stillebox
Neben der Lärmbox steht beim Stuttgarter Kirchentag ein zweiter Raum. Im Stil eines rheinhessischen Weinberghäuschens, eines sogenannten Trullos, entstand die "Stillebox". Ihr Innenraum ist lärmisoliert. Die Kirchentagsbesucher bekommen so weniger von dem Lärm in der Zelthalle mit. Das Geschrei und die Musik sind zwar noch zu hören, aber deutlich gedämpft. Stille – zumindest für eine oder zwei Minuten.
„Rundgespräche“ gegen den Lärm
Die Sprecherin des Aktionsbündnisses, Bettina Appelt, erklärt den Sinn der beiden Boxen: "Lärm und Stille kann man nur zusammen denken. Ohne ein Konzept von Stille und Ruhe lasse sich der Kampf gegen den Lärm auf Straßen, Schiene und in der Luft nicht führen." Über dieses Konzept diskutiert am Donnerstag auch Dr. Ulrich Oelschläger, Präses der EKHN-Synode. Er beklagt, dass viele Beerdigungen aufgrund ohrenbetäubenden Lärms gestört würden. Weil Kirche sich aber nicht nur um ihre Rituale, sondern um ein gutes Leben aller Menschen sorgt, schließe sich die EKHN dem Protest der Bürger an.
Welche Rechtsmittel soll die EKHN einlegen?
Eine Verfassungsbeschwerde, wie von den Bürgerinitiativen gefordert, will die EKHN aber nicht einlegen. Nach Prüfung durch die Kirchenjuristen sei eine Klage unter Verweis auf Artikel 4 des Grundgesetzes (Recht auf ungestörte Religionsausübung) nicht aussichtsreich. Gegen diese Absage wehren sich die Mainzer Lärmgegner. Sie wollen dranbleiben und die Kirche immer weiter dazu auffordern, sich stärker gegen den Lärm am Himmel und auf den Straßen einzusetzen.
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