Herbstsynode 2014
Distanzierung von „Judenschriften“
Esther StoschWeiße Rosen in Trauer um die ermordeten Juden21.11.2014 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Frankfurt a.M., 21.November 2014. Die in Frankfurt am Main tagende Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat sich am Freitag in einer Stellungnahme von den judenfeindlichen Spätschriften Martin Luthers distanziert. In ihnen verlangt der Reformator beispielsweise die Ausweisung aller Juden aus seinem Geburtsort Eisleben oder das Niederbrennen von Synagaogen, falls sie sich nicht zum Christentum bekehren sollten. Die Haltung des Reformators zum zeitgenössischen Judentum des 16. Jahrhunderts sei nicht vereinbar mit dem heutigen Bekenntnis der EKHN. Die Aussagen der sogenannten „Judenschriften“ Luthers stünden im Widerspruch zum 1991 erweiterten Grundartikel der Kirchenordnung der Landeskirche und der dort festgestellten „bleibenden Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen“. Der Beschluss soll auch an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) weitergeleitet werden.
Antijudaismus griff auch Luther auf
Das Votum des hessen-nassauischen „Kirchenparlaments“ will damit nicht die zentrale Bedeutung Luthers für die Geschichte und Theologie des Protestantismus in Frage stellen. Es wolle aber darauf aufmerksam machen, dass Luthers Verhältnis zum Judentum „weder ein zufälliges Ereignis noch eine marginale Größe innerhalb seines reformatorischen Wirkens und theologischen Denkens“ darstellen, so die Stellungnahme. Auch der spätere völkische Antisemitismus habe Luthers Schriften fatalerweise aufgegriffen. Martin Luther, so heißt es in der vom Theologischen Ausschuss der Synode vorgelegten Stellungnahme weiter, sei sich der Begrenztheit seiner Theologie und seines kirchlichen Handelns durchaus bewusst gewesen. Bei der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern, wie dem Papsttum aber auch dem Judentum, sei deutlich, dass sie nur schwer mit Luthers eigener Berufung auf die Bindung des Gewissens an das Wort der Schrift harmoniere. In allen gesellschaftlichen Schichten der Reformationszeit sei Antijudaismus verbreitet gewesen. An der Forderung nach einer Taufe der Juden und der Anerkenntnis Jesu als Messias hätten Reformatoren wie Humanisten festgehalten.
Von der EKD klare Positionierung erwartet
Vor der Landessynode erläuterte der Mainzer Professor für Kirchengeschichte, Dr. Wolfgang Breul, bei der Einbringung des Themas, dass die Nationalsozialisten auch Texte des Reformators bei den Pogromen am 9. November 1938 als Rechtfertigung eingesetzt hätten. Der Wissenschaftler lobte die Neuorientierung der EKHN mit der Erweiterung ihres Grundartikels von 1991. Hessen-Nassaus Kirchenpräsident Dr. Volker Jung forderte in der Aussprache eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit der jüdischen Kultur und Geschichte in der Kirche. Der Kirchenpräsident erwartet auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland eine klare Positionierung.
Im 1991 erweiterten Grundartikel der Kirchenordnung der EKHN heißt es wörtlich: „Aus Blindheit und Schuld zur Umkehr berufen, bezeugt sie neu die bleibende Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen. Das Bekenntnis zu Jesus Christus schließt dieses Zeugnis ein.“
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