Dekanat Rodgau

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    Hiroshima-Gedenktag

    Vertrauen in die „Macht der Ohnmächtigen“ statt in Atomwaffen

    Stock photo © curraheeshutterAtomexplosionAm Ende des Kalten Krieg soll in den Arsenalen so viel atomare Sprengkraft gesteckt haben, um die Erde zwölf Mal zu zerstören

    Zehntausende Menschen starben vor 70 Jahren beim Abwurf der ersten Atombombe durch die US-Luftwaffe. Doch trotz der zerstörerischen Folgen wollen Russland und die USA wieder ihre Atomarsenale aufrüsten. Gibt es Alternativen?

    Deschner/EKHNWolfgang BuffWolfgang Buff, der Friedensbildungs-Experte in der EKHN

    [Evangelische Sonntagszeitung / Multimedia-Redaktion] Um 1.45 Uhr Ortszeit ist der B-29-Bombers am 6. August 1945 von der Pazifikinsel Tinian gestartet. Sein Ziel ist die Großstadt Hiroshima, in ihrem Rumpf transportiert sie die bis dahin vernichtendste Waffe: die mehr als vier Tonnen schwere Atombombe »Little Boy«. US-Präsident Harry Truman hat sich entschlossen, sie einzusetzen. 

    Um 8.15 Uhr des 6. August 1945 ist die »Enola Gay« über Hiroshima. Die Sicht ist gut, nur wenige Wolken treiben. Die B-29 klinkt die Bombe aus, anschließend wendet sie scharf, um nicht von der Druckwelle vom Himmel gewischt zu werden. Eine Minute danach explodiert »Little Boy« in 600 Metern über der Stadt.
    Etwa 75 000 Menschen sind sofort tot. 

    Protestanten fordern, Atomwaffen weltweit zu ächten

    70 Jahre später plädiert der Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, Atomwaffen zu ächten. Er regt an, „den Initiativen für die weltweite Ächtung von Atomwaffen neues Leben zu geben“.  Für diese Haltung erhält er Rückenwind von Wolfgang Buff, dem Referent für Friedensbildung im Zentrum Ökumene der EKHN und der EKKW. „Ich schließe mich der Forderung an, weltweit grundsätzlich jede Form von Atomwaffen zu ächten.“ Um am Gedenken an die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki teilzunehmen, reist Landesbischof Bedford-Strohm im Rahmen einer Pilgerreise vom 5. bis 10. August 2015 nach Japan. Gegenüber dem epd hat er das Ziel der Reise deutlich gemacht: „Wir haben von unserem christlichen Glauben her einen Versöhnungsauftrag  und müssen daher das Problem der Verbreitung von Atomwaffen in die Weltöffentlichkeit zurückholen.“ Zudem erinnert Heinrich Bedford-Strohm daran, dass die EKD-Synode bereits 2010 gefordert habe, dass die in Deutschland und in weiteren europäischen Ländern gelagerten amerikanischen Atomwaffen abgezogen werden. Wolfgang Buff hält diese Forderung nach wie vor für aktuell und er erklärt: „Es gibt einen Beschluss der Bundesregierung, daß die USA ihre Waffen zurück holen sollen, aber der wurde und wird nicht ernsthaft voran getrieben.“ Im rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel lagern bis heute US-Atomwaffen.

    Folgen des Atombombenabwurfs

    Als Folge des Abwurfs vor 70 Jahren starben im japanischen Hiroshima die Menschen in den Trümmern zusammenstürzender Gebäude oder verbrannten in Sekundenschnelle im Feuerball, der noch am Boden Temperaturen von 6000 Grad Celsius erreicht hat. Von vielen Opfern blieben keine Überreste. Wer die Explosion überlebte, hatte oft schwere Verbrennungen. Nach einigen Tagen begann die Strahlenkrankheit: Die Opfer erbrachen sich, hatten Durchfall, bluteten aus Mund und Nase und litten unter Geschwüren. In den Wochen und Monaten nach dem Angriff starben qualvoll noch einmal 70 000 bis 100 000 Menschen. Bis heute ist die Krebsrate in Hiroshima deutlich erhöht, die »Internationalen Ärzte zur Verhütung eines Atomkriegs« (IPPNW) berichten darüber hinaus von Blutarmut, Herz-, Leber- und Augenkrankheiten, die sie auf den Kernwaffeneinsatz von 1945 zurückführen.

    Ende des Krieges

    Am 9. August detoniert die zweite Atombombe über Nagasaki. Stalin hat Japan mittlerweile ebenfalls den Krieg erklärt. Nun entscheidet sich der japanische Kaiser Hirohito zur Kapitulation, die er am 14. August verkündet. Nachdem der japanische Außenminister die entsprechende Urkunde am 2. September auf dem US-Schlachtschiff »Missouri« unterschrieben hat, ist der Zweite Weltkrieg beendet. [mehr über die Hintergründe des Atombombenabwurfs in der gedruckten Version der Evangelischen Sonntagszeitung]

    Sprengkraft, die 12 mal die Erde zerstören könnte – Atomare Aufrüstung bis heute

    Nach dem zweiten Weltkrieg verstärkten die USA und die Sowjetunion die atomare Aufrüstung vor allem Ende der 1970er Jahre. Schätzungen gehen am Ende des Kalten Kriegs davon aus, dass in ihren Arsenalen genug Sprengkraft steckte, um die Erde zwölf Mal zu zerstören. Dann folgte ab 1991 eine Abrüstungsvereinbarung zwischen den beiden großen Atommächten, der UdSSR und der USA. Gegenwärtig ist eine atomwaffenfreie Welt jedoch immer noch nicht in Sicht. Zwar wurde der Atomstreit mit dem Iran weitgehend beigelegt, indem der Iran zugestand, sein Atomprogramm zurückzufahren, aber Atomkraft friedlich nutzen zu wollen. Allerdings hatte Russland Anfang Juni 2015 eine Nuklearaufrüstung bekannt gegeben und will laut Presseberichten bis Jahresende mehr als 40 neue Interkontinentalraketen für die Atomstreitkräfte des Landes anschaffen. Daraufhin kündigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Mitte Juni an, dass die Nato ihre Präsenz im östlichen Teil des Bündnisgebietes erhöhen werde. Ein konstruktives Verhältnis mit Russland werde allerdings weiterhin angestrebt. 

    Kann die Strategie der Abschreckung eine langfristige Friedensperspektive sein?

    Doch wäre es unter diesen Bedingungen sinnvoll, dass der Westen weiter atomar aufrüstet, um Stärke zu demonstrieren und damit Russland von einem möglichen Angriff abzuhalten? „Nein. Ich kann und will einer Sicherheit nicht vertrauen, die mit dem Drohen von Massenmord hergestellt wird. Wir können nicht Frieden gegen jemanden schaffen“, so die klare Haltung des evangelischen Friedensbildungs-Referenten Wolfgang Buff. Er plädiert dafür, sich von der militärisch geprägten Art des Denkens zu befreien nach dem Motto „Putin, du bist stark, aber ich bin stärker. Und als Sieger kann ich dann den Frieden auf meine Art und Weise gestalten“. Gerade die letzten militärischen Eingriffe der USA zeigten, wie sie bei dem Versuch scheitere, die Welt nach ihrer Vorstellung zu gestalten. Selbst bei einem autoritär geprägten Gegenüber sei militärische Abschreckung keine gute Wahl, dann es gehe auch darum, die dortige Bevölkerung für Wege des Friedens zu gewinnen. 

    Frieden schaffen mit der Strategie „win-win“ statt „win-lose“

    Doch gibt es überhaupt wirksame Alternativen zur militärischen Abschreckung? Der studierte Soziologe kennt viele unterschiedliche Wege. „Kriege beginnen oft aus Hilflosigkeit und Ratlosigkeit. Deshalb ist es wichtig, das Sicherheitsbedürfnis aller Akteure anzuerkennen.“ Zudem sei sehr wichtig, den Verhandlungsweg zu wählen. „Ich muss dem anderen zuhören, verstehen, was er sich eigentlich wünscht, um eine Brücke zu bauen, über die man später gehen kann“, so die Erkenntnis von Wolfgang Buff. Er ist zuversichtlich: „Die Macht der Ohnmächtigen kann siegen. Das hat die Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee in Liberia gezeigt. Mit friedlichen Mitteln  gelang es ihr und ihren Unterstützerinnen, sich Diktator  Charles Taylor in den Weg zu stellen und verfeindete Kriegsparteien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.“  Der Bürgerkrieg in Liberia endete schließlich 2003 nach 14 Jahren. Aber auch die Deutschen haben den Erfolg friedlicher Wege erlebt, als sie mit Demonstrationen im Jahr 1989 rund um die Leipziger Nikolaikirche und an anderen Orten die Diktatur der damaligen DDR in die Knie gezwungen haben.
    Buff ist überzeugt: „Der Verstand kennt Alternativen zum Krieg. Es gibt häufig Berührungspunkte, wo man Interessen so ausgleichen kann, dass beide Parteien ihr Gesicht wahren können.“ Denn werde eine der Parteien bloß gestellt, werde sie höchstwahrscheinlich auf Rache sinnen.

    Buff kann durchaus den Vorwurf der Naivität zu seinen Gedanken nachvollziehen. Doch er kontert: „Den friedlichen Wegen können wir mehr zutrauen und sie auch ausprobieren. Sicher werden manche Versuche scheitern, aber militärische Maßnahmen scheitern auch – allerdings kosten sie wesentlich mehr Menschenleben und legen die Saat für künftige Feindschaft. 

    Friedlicher Alternativ-Projekte

    Ein großes Anliegen Wolfgang Buffs ist es, positive Beispiele für friedliche Konfliktlösungen ins Bewusstsein zu bringen:

    ZFD - Ziviler Friedensdienst
    Das Forum Ziviler Friedensdienst wurde im Jahr 1996 mit dem Auftrag gegründet, sich für die „Verwirklichung der Idee eines Zivilen Friedensdienstes“ einzusetzen. Das forumZFD führt Projekte des Zivilen Friedensdienstes in Nahost, auf dem westlichen Balkan und in Südostasien durch. Dazu gehören die Aufklärung über die Entstehung und die Konsequenzen gewaltsamer Konflikte, der Aufbau von Dialog zwischen den Konfliktparteien, die Förderung der Zivilgesellschaft und die Reintegration von Flüchtlingen und ehemaligen Kämpfern. Innerhalb Deutschlands sind die Fachkräfte als "kommunale Konfliktberater" aktiv. Auch aus der EKHN engagieren sich Pfarrer in unterschiedlichen Projekten. 
    mehr über den Zivilen Friedensdienst

    Combatants for peace - Kämpfer für den Frieden
    Nach ihrer aktiven Zeit haben sich einige ehemalige israelische und palästinensische Kämpfer zusammen geschlossen, um sich für den Frieden einzusetzen. Sie gehen davon aus, dass beide Seite den Wunsch nach einem sicheren Leben und guten Auskommen haben. In ihrem eigenen Umfeld und von manchen politischen Gruppierungen werden sie scharf kritisiert und als Verräter gesehen. Doch sie haben beschlossen, sich die Hand zu reichen und miteinander zu reden. Sie initiiteren Bildungsprojekte, Veranstaltungen und gewaltfreie Protestaktionen.
    mehr über die Kämpfer für den Frieden
    auf Deutsch

    Komitees der Soldatenmütter in Russland und der Ukraine
    Der Krieg der Sowjetunion in Afghanistan gab den Ausschlag für die Gründung des Sodatenmütter-Komitees Ende der 1980er Jahre. Die Mitglieder der Menschenrechtsorganisation machten auf Missstände in der Armee aufmerksam. Beim gegenwärtigen Konflikt mit der Ukraine hat die Leiterin Ella Poljakowa des lokalen russischen Verbandes in Sankt Petersburg die russischen Behörden aufgefordert, über den Einsatz von russischen Soldaten aufzuklären. Allein im August 2014 seien ihren Angaben zufolge bei einem Kampf nahe des ukrainischen Dorfes Sneschnoje mehr als 100 Soldaten ums Leben gekommen – das berichtete „Welt-Online.“ Das Komitee arbeitet auch mit evangelischen und katholischen Frauenverbänden zusammen.
    mehr über das Komitee der Soldatenmütter 

    Nils Sandrisser / Rita Deschner

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