Dekanat Rodgau

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    Von Mäusen und Menschen

    ANgeDACHT für Oktober 2022 von Pfarrer Alexandru Lita, Evangelische Kirchengemeinde Seligenstadt und Mainhausen

    »Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«« 

    Matthäus-Evangelium, Kapitel 4, Vers 4

    Meine dreijährige Tochter liebt es, wenn ich ihr vorlese. Eine ihrer Lieblingsgeschichten ist die über Frederick, die Maus. Sie lebt mit seiner Familie in einer alten Steinmauer. Als die Tage kürzer werden und der Winter naht, fangen die Mäuse an, einen Wintervorrat anzusammeln. Alle Mäuse sind rund um die Uhr beschäftigt und schleppen sich ab. Alle – außer Frederick. Der liegt in der Sonne und scheint einfach zu faulenzen. Die anderen Mäuse fragen ihn, ob er nicht sammeln wolle. Er antwortet, er würde sammeln– und zwar Sonnenstrahlen. So geht es den Herbst über weiter.

    Als der Winter da ist, die Vorräte knapp werden und die Mäuse zudem gelangweilt sind, da sie sich alle Anekdoten bereits erzählt haben, erinnern sie sich, dass auch Frederick von einem Vorrat gesprochen hatte. Sie fragen ihn: „Frederick, was machen deine Vorräte?“

    Wie darauf vorbereitet, legt er los: Er erinnert an die Farben der Blumen und den Geruch der Natur. Es gelingt ihm, die Erinnerung an die Sonne so eindrücklich wiederzugeben, dass die Mäuse den Eindruck haben, sie auf ihren Pelzen zu spüren. Wie im Theater hören sie zu und vergessen Kälte, Hunger und Langeweile. Gegen Ende bedanken sie sich bei Frederick. Er hat ihren Alltag bereichert.

    Ich muss gestehen, als ich diese Geschichte jetzt, im Erwachsenenalter, meiner Tochter vorlas, ertappte ich mich dabei, wie schnell ich über Fredericks Verhalten urteilte und dachte, er wolle sich doch nur vor der Arbeit drücken und fände nur faule Ausreden. Aber die Mäusekolonie hat es ihm nicht übelgenommen. Im Gegenteil: Sie hat ihre Vorräte mit ihm geteilt, ohne Vorwurf, mit viel Vertrauen. Als sie dann in Not waren, wandten sie sich an ihn, vertrauensvoll. Und sie sind nicht enttäuscht worden. Hinterher zeigt sich: Sie haben alles richtiggemacht.

    Vielleicht fragen Sie sich, wieso ich Ihnen das Ganze erzähle. Es ist eine herbstliche Geschichte und auch eine Erntedankgeschichte mit vielen Parallelen und Lehren für uns Menschen:  Die Mäuse haben geerntet und für den Winter eingelagert, wie wir Menschen es vor der Globalisierung getan haben und einige auch heute noch tun.

    Die Mäuse haben mit der Natur gelebt. Im Bilderbuch sieht man, dass sie gemeinsam Maiskolben schleppen. Teamarbeit wird auch bei Mäusen großgeschrieben. Das scheint Frederick noch deutlicher von ihnen zu unterscheiden und ein wenig auszuschließen.  

    Dass er trotzdem seinen festen Platz in der Gesellschaft hat, zeigt sich dadurch, dass die Mäuse ihn versorgen, egal was er bisher zur Gemeinschaft beigetragen hat.

    Hinterher, in der körperlichen und seelischen Not, wird deutlich, dass eine Gemeinschaft nicht nur vom Essen lebt. Ein wichtiger Gedanke, auch für uns Menschen heute, ganz im Sinne Jesu: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein…“ Frederick steuert im richtigen Moment bei, was am nötigsten gebraucht wird: Erinnerung, die zur Hoffnung wird. Ist das nicht genau das, was in den Kirchen seit jeher gepredigt wird? Oder das, was wir privat ganz selbstverständlich tun, wenn wir trösten oder jemandem Mut machen? Und: Ist dieser Gedanke nicht aktueller und wichtiger denn je? Gerade in dieser turbulenten Zeit, die wir alle durchleben müssen, mit Krisen, Angst und Sorge um die Zukunft.

    Frederick hat gesehen, dass für das leibliche Wohl gesorgt wird und sich deshalb auf andere Dinge festgelegt. Man könnte sagen, er hatte Mut zur Lücke. Er hat die Lücke erkannt, die im grauen Winter entsteht und hat seine Aufgabe darin gesehen, sie zu füllen. Da die Mäuse am Ende klatschen, scheint er es gut gemacht zu haben. Er hat seine Gabe dafür gekannt.

    Erntedank ist ein Tag, an dem wir uns für Gaben bedanken. Und es ist ein Tag an dem wir auch darüber nachsinnen sollten, dass wir selbst eine Gabe Gottes sind und zugleich, im übertragenen Sinne, zu Gottes Ernte gehören. Jeder hat seine Gabe. Jede kann sich damit einbringen und zu etwas beitragen. Wie auch bei den Mäusen, können die Gaben eines Menschen ganz unterschiedlich sein. Nicht nur Leistung zählt. Lieder, Geschichten, Verkündigung, Musik, Ratschläge, zuhörende Ohren, Erinnerungen, Wertschätzung und unzählige Dinge mehr sind hilfreich und tragen zur Gemeinschaft bei.

    Menschen die sich als von Gott be-gabt und sich selbst als eine Gabe Gottes begreifen, achten aufeinander, helfen einander, vertrauen und haben sich stets im Blick. Ganz in diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes Erntedankfest!

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