Weisheit, die das Herz weitet
ANgeDACHT für September 2025 von Sandra Scholz, Pfarrerin für Ökumene und Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau, und Hye-Yeon Yoon aus Südkorea, bei uns im Rahmen eines internationalen christlichen Freiwilligendienstes
„Der Weisheit Anfang ist die Furcht des Herrn, und den Heiligen erkennen, das ist Verstand.“
(Sprüche 9,10)

„Die Ehrfurcht vor Gott ist der Anfang aller Weisheit“ – so heißt es im biblischen Buch der Sprüche. Für Hye-Yeon Yoon ist dieser Vers zugleich Familienmotto und Glaubensfundament.
Die 23-Jährige stammt aus Südkorea und gehört zur Presbyterianischen Kirche Koreas (PCK), einer der großen reformierten Kirchen des Landes. Seit März ist sie im Rahmen eines internationalen Freiwilligendienstes im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau tätig – unter anderem in einer evangelischen Kindertagesstätte in Dietzenbach. Bis Februar 2026 wird sie noch hier sein.
Als wir uns über diesen Vers unterhielten, erzählte sie:
„In Korea dreht sich alles um Bildung. Schon als Kinder stehen wir unter enormem Druck. Selbst Freundschaften werden oft als Konkurrenz erlebt. Aber meine Mutter sagt immer: Es gibt Wichtigeres – nämlich, wie Gott uns sieht. Nicht die Anerkennung der anderen zählt, sondern die vor Gott.“
Ich antwortete ihr, wie schwer es sei, sich freizumachen von all den Erwartungen um einen herum.
„Ja, das stimmt“, sagte sie. „In Korea ist der Druck groß – Karriere, Aussehen, Ehe. Und Social Media verstärkt das noch. Viele glauben, es gebe nur den einen richtigen Lebensweg. Aber ich merke: Immer mehr junge Menschen wollen ausbrechen. Sie suchen ihren eigenen Weg. Und ich auch. Mein Glaube hilft mir dabei. Denn ich weiß: Bei Gott bin ich angenommen – so wie ich bin. Das gibt mir Frieden.“
Besonders beeindruckt hat sie die Arbeit mit den Kindern in der Kita:
„Zuerst war ich irritiert: Die Kinder spielen so frei, den ganzen Tag! Ich dachte, sie müssten doch etwas richtig lernen. Aber dann habe ich gesehen, wie kreativ sie sind. Sie denken sich Geschichten aus, lernen Wörter, zählen, bauen Beziehungen auf. Da habe ich verstanden: Sie lernen beim Spielen – mit Herz, Kopf und Hand.“
Diese Beobachtungen haben mich neu an das erinnert, was Weisheit im biblischen Sinn meint: nicht reine Leistung, nicht das Höher-Schneller-Weiter, sondern Einsicht, Beziehung, inneres Wachstum. Ich fragte Hye-Yeon, was für sie gute Bildung bedeutet. Ihre Antwort:
„Gute Bildung hilft einem Menschen, seine eigene Identität zu entdecken. Sie sollte nicht nur auf Wissen und Beruf vorbereiten, sondern das Herz weiten – für Gott, für sich selbst, für andere. Denn wir sind nach Gottes Bild geschaffen. Jede Person hat Würde – einfach, weil sie ist. Bildung im Sinne Gottes lehrt uns zu lieben. Und wo das geschieht, da fängt Gottes Reich schon an.“
Dem kann ich nur zustimmen. Amen – so sei es.
Wer Hye-Yeon Yoon in den kommenden Monaten kennenlernen, ihr die Umgebung zeigen oder sie in eine Gemeinde einladen möchte, kann sich bei sandra.scholz@ekhn.de melden.
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