Dekanat Rodgau

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    Perfektion gibt's erst im Himmelreich

    ANgeDACHT für Februar 2024 von Kai Fuchs, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau

    „Vor allem aber habt innige Liebe untereinander; denn die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken.“
    (1. Petrusbrief 4,8)

    Eine kleine Geschichte nimmt uns mit nach Afrika: Dort lebte eine erfolgreiche Kunsthandwerkerin in einem Dorf abseits der großen und kleinen Zentren. Sie stellte in aufwändiger Handarbeit Möbel mit filigranen Verzierungen her. Eines Tages erhielt sie Besuch von einem Händler, der den Kontinent auf der Suche nach neuen Talenten bereiste. Er hatte von der Frau und ihrem Talent gehört und sich auf den Weg gemacht, um sie und ihre Kunst kennen zu lernen. Schließlich fand er die Frau in ihrer Werkstatt, wo sie gerade die Arbeit an einem Stuhl beendet hatte. „Ein Meisterwerk“, freute er sich, und überlegte schon, welchen Galerien er die besten Stücke wohl am ehesten anbieten könnte. Die Frau lächelte nur und bedeutete ihm mit den Händen, er solle sich nur in Ruhe umschauen.

    Bei dem Stuhl, der jetzt mitten in der Werkstatt stand, begann er – fuhr mit den Fingerspitzen die glatten Oberflächen entlang, folgte mit Augen und Händen feinen geschwungenen Linien. Am Ende des linken, hinteren Stuhlbeins stutzte er – er spürte einen rauhen Knoten, offenbar das gänzlich unbearbeitete Auge eines Astes. Diese Stelle musste die Frau übersehen haben. Oder sie hatte sie mit ihren Werkzeugen nicht erreicht. Höflich beschloss er, die Künstlerin nicht darauf anzusprechen. Schließlich war der Stuhl offenbar gerade erst fertig geworden. Der Mann schaute sich weiter um in der Werkstatt und im kleinen, aufgeräumten Lagerraum nebenan. An jedem Möbelstück fand er letztlich so eine unvollkommene Stelle.

    „Was du hier suchst, wirst du nicht finden“, hörte er eine Stimme hinter sich. Erschrocken und verblüfft drehte er sich um und sah die Frau fragend an. „Bei mir bekommst du gute Möbel, die schön aussehen und lange halten. Perfektion, mein Freund, gibt es erst im Himmelreich.“

    Tatsächlich ziehen sich Unvollkommenheiten durch unser ganzes Universum. Kopierfehler in der Biologie haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind und Gottes Schöpfung nennen. „Ohne Unvollkommenheit würden weder du noch ich heute existieren“, hat es Stephen Hawking einmal auf den Punkt gebracht. 

    Unvollkommenheit als Gegenpol zu Perfektion und Orthodoxie gibt es auch in der Philosophie. „Wabi Sabi“ heißt das ästhetische Konzept aus Japan: „Wabi“ drückt dabei an Ärmlichkeit grenzende Bescheidenheit aus; „Sabi“ ein Verwelken und Altern im Laufe der Zeit. Das Welken der Kirschblüte, mit Gold oder Silber ausgebesserte Risse in Keramikschalen, ein altes geerbtes Möbelstück – überall dort ist „Wabi Sabi“ zu finden. 

    Vielleicht kann es sich auch lohnen, nach den Prinzipien des „Wabi Sabi“ auf unseren Glauben zu schauen: Denn gerade im religiösen Kontext sind viele gut darin, uns Perfektion zu verkaufen. Aber hilft uns das dabei, Freude auszustrahlen und einladend zu sein? Wie sieht ein perfektes Leben aus? Wie in Soaps? Wie auf Instagram? Wie in der Werbung? Es erfüllt uns nicht, wenn wir als Abziehbilder herumlaufen.

    Fehler können uns voranbringen, aber sie bestimmen uns als Christinnen und Christen nicht. Noch nicht mal die Fehler, die wir immer wieder machen. Dass ein Versagen nie zweimal vorkommen sollte, ist unrealistisch und bedrückend, mehr nicht. Er gilt schon nicht mehr, wenn wir anfangen, ein Instrument zu lernen. Wie sollte er für unser Leben gelten? 

    Perfektionismus hält uns davon ab, uns weiterzuentwickeln. Wenn wir nur mit dem vollkommenen Endzustand zufrieden sind, leugnen wir, dass Wachstum in Schritten passiert. Und das Streben danach hindert uns daran, im Hier und Jetzt zu leben, wenn die Dinge mal nicht ganz rund laufen. 

    Wir sind wunderbare und inspirierende Menschen, weil wir unvollkommen sind, nicht obwohl. Wir müssen unsere Arbeit ordentlich machen, aber niemandem etwas beweisen und nicht allein die Kirche retten. Auch hier ist Perfektion also überflüssig. 

    Die Bibel unterstreicht:

    „Vor allem aber habt innige Liebe untereinander; denn die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken.“ (1. Petrus 4:8)

    Hier ist nicht nur von kleinen Fehlern und Makeln die Rede, sondern von Schuld. Die Bibel sagt deutlich, dass Liebe die Lösung dafür ist, nicht Perfektion. Denn als Basis des Ganzen kommt die Gnade ins Spiel. Wenn wir keine Perfektionisten sind, können wir die gesamte obige Aufzählung belächeln. Als Perfektionisten fangen wir schon wieder an, eine innere Checkliste anzulegen. 

    Es kann ein weiter Weg sein zu realisieren, dass wir so wie wir sind, für Gott genügen. Und für unsere Mitmenschen. Und uns selbst. Natürlich sollen wir gedeihen, wachsen, uns weiterentwickeln. Aber das ist nicht die Basis. Grundlage ist die Gnade Gottes, die sagt: Ich decke deine Unvollkommenheiten zu. Und Perfektion gibt’s erst im Himmelreich! 

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