Trauer braucht Orte, Hoffnung braucht Zu-Wendung
ANgeDACHT für April 2022 von Pfarrerin Stefanie Keller, Evangelische Kirchengemeinde Langen
»Am Ostermorgen kommt Maria von Magdala zu den Jüngern. Sie verkündet ihnen: 'Ich habe den Herrn gesehen.' Und sie berichtet ihnen, was er ihr gesagt hat.«
Monatsspruch April 2022
Evangelium nach Johannes, Kapitel 20, Vers 18
Voll besetzte Kirchen, Osterfeuer, strahlendes Weiß und laut „Christ ist erstanden, hallelujah!“ zu den vollen Klängen der Orgel singen – das ist Ostern!
Große Freude, Jubeln, Osterlachen – das ist die eine Seite von Ostern.
Und dann gibt es noch die andere Seite: Ostern beginnt mit den Tränen einer Frau! Maria von Magdala macht sich am Ostermorgen auf den Weg zum Grab von Jesus. Es ist noch dunkel, und sie ist alleine. Sie braucht einen Ort zum Trauern, einen Ort zum Erinnern an alles, was sie mit Jesus erlebt hat.
Es ist schlimm, wenn man keinen Ort zum Trauern hat. So schwer es auch ist, wenn man sieht, wie der Sarg oder die Urne im Grab verschwindet, es gibt doch einen Ort, an den man gehen kann, den Erinnerungen nachhängen, mit dem Herzen nach und nach Abschied nehmen kann.
Maria ist schwer erschrocken, als sie den weggerollten Stein und das leere Grab vorfindet. Sie traut ihren Augen nicht und rennt zu den Jüngern zurück, damit sie es nochmals überprüfen können. Doch das Grab ist und bleibt leer. Die Jünger gehen und Maria bleibt allein zurück. Zu ihrer Erschrockenheit kommt Verzweiflung hinzu. Sie hat keinen Ort mehr, um zu trauern. Das Grab ist leer. Der Tote nicht mehr da. Wohin mit der Trauer? Sie weint. Sie möchte dem Toten hinterherlaufen und stellt die Frage, die viele Trauernde stellen: Wo ist der Verstorbene jetzt?
Ja, wir wissen, wo wir sie hingelegt haben. Das ist der Ort für die Trauer und die Erinnerung. Doch unsere Toten sind nicht dort, wo wir sie hingelegt haben. Das erfährt Maria an diesem Ostermorgen. Allerdings erleichtert sie das in diesem Moment noch nicht. Sie wendet sich um und will gehen. Da begegnet ihr der Auferstandene, den sie zunächst für den Gärtner hält und den sie auch nach dem Wohin fragt.
Ostern wird es für Maria in dem Augenblick, als sie ihren Namen hört: „Maria“. Es gibt nur einen, der ihren Namen so unverwechselbar ausspricht.
Ostern wird es, wenn ein zu Tode betrübter Mensch Zu-Wendung erfährt – wenn eine niedergeschlagene Frau aufgerichtet wird – und „Ich“ sagen kann: „Ich habe den Herrn gesehen“. Dieses „Ich“ ist der Schlusspunkt der Ostergeschichte.
Und dann können wir einstimmen in die Freude und den Jubel und laut zu den Klängen der Orgel singen: „Christ ist erstanden, hallelujah!“
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