Zurt Freude überredet
ANgeDACHT für Februar 2023 von Pfarrerin Sandra Scholz, Pfarrstelle für Ökumene und Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau
»Gib deine Seele nicht der Traurigkeit hin, und betrübe dich nicht selbst mit deinen eigenen Gedanken. Denn ein fröhliches Herz ist des Menschen Leben, und seine Freude verlängert sein Leben. Lenke dich ab und tröste dein Herz, und weise die Traurigkeit weit von dir. Denn sie hat schon viele Leute ins Verderben geführt und dient doch zu nichts.«
Jesus Sirach, Kapitel 30, Vers 21ff
Es ist aber auch ein Kreuz mit dem Februar: Weihnachten, Ferien und Urlaub sind schon wieder lange her, die Tage wollen nicht länger werden, der Frühling scheint uns noch allzu weit entfernt. Und auch inhaltlich gibt es wahrhaft Ursache genug zum Grübeln: Krieg, Klima, steigende Energie- und Lebensmittelkosten und vieles mehr sind nur einige Gründe, Trübsal zu blasen.
Da scheint, was im 30. Kapitel des Buchs Jesus Sirach steht, weltfremd und fern: „Gib dich nicht dem Trübsinn hin“, heißt es da. Und es geht noch weiter mit den Lebensempfehlungen: „Quäl dich nicht selbst mit nutzlosem Grübeln! Freude und Fröhlichkeit verlängern das Leben des Menschen und machen es lebenswert.“
„Leichter gesagt als getan“, sagt da sicher im Moment so mancher Mensch angesichts dessen, was sich Tag für Tag an Leid und Last durch die Nachrichten in unser Leben wälzt. Also alles also nur eitles Geschwätz im Buch Jesus Sirach?
Ich glaube das nicht, und ich bin mir fast sicher, dass der Mensch, der diese Zeilen geschrieben hat, selbst den Trübsinn gut kannte. Denn der Text geht noch weiter: „Überrede dich selbst zur Freude und sprich dir Mut zu und vertreibe den Trübsinn.“ Anscheinend wusste der Schreiber des Textes genau, dass es manchmal einiges an Überredungskunst braucht, um den Trübsinn zu vertreiben.
Im tristen Februar wird landauf, landab ein Fest gefeiert, das sich genau das zur Aufgabe gemacht hat: den Trübsinn zu vertreiben und sich selbst zur Freude zu überreden. Bei uns ist es in Mainzer Tradition zumeist die Fastnacht, in Bayern der Fasching, in Köln der Karneval. Für die einen ist es schnöder Frohsinn auf Kommando. Für die anderen dagegen – und zu denen zähle ich mich auch selbst – ist gerade der rheinische Karneval eine Feier des Lebens, die den Trübsinn vertreibt.
Denn in der Tradition des Kölner Karnevals waren schon immer auch Leid und Tod mitten drin in der Freude. „Su lang mer noch am lääve sin, / am laache, kriesche, tanze sin“, lautet ein Song der kölschen Karnevals-Band Brings. Auf Hochdeutsch: Solange wir noch am Leben sind, am Lachen, Weinen, Tanzen sind. Oder in den Texten der Band Kasalla: „Kumm, mer lääve, bevür mer stirve. Als wör dat hück dä letzte Daach. Mer sin nor eimol hee, schrei et rus su laut et jeiht.“ Komm wir leben, bevor wir sterben, als wär das heute der letzte Tag. Wir sind nochmal hier, schrei es raus, so laut es geht.
Der Kölner Karneval feiert das Leben in Sichtweite von Leid und Tod. „Carpe Diem“, würden andere dazu sagen. Nutze den Tag. Darin liegt für mich die wahrhaftige Freude des Karnevals, den Moment zu ergreifen und sich, auch wenn nicht alles gut ist, in diesem Moment für die Freude zu entscheiden.
Zugegeben – manchmal muss ich mich auch erst mal überreden, die Perspektive zu wechseln und mich der Freude zuzuwenden. Aber da, wo auch geweint werden darf, wo die Gläser – so ein anderer Text von Kasalla – zu den Engeln und den Sternen gehoben werden und zu denen, die dort schon sind; wo angestoßen wird auf die Fehler und die Schrammen des Lebens und den ganzen Schmu - im Bewusstsein, noch immer am Leben zu sein, da feiere ich gerne mit.
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