Christliche Gemeinde - eine Protestgemeinschaft?
ANgeDACHT für August 2023 von Pfarrerin Susanne Lenz, Ev.-ref. Buchenbuschgemeinde Neu-Isenburg und Ev. Erasmus-Alberus-Gemeinde Dreieich
„Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt...“
Römer 12, 11a
Neue Protestformen beschäftigen uns seit geraumer Zeit: Jugendliche verlassen den verpflichtenden Schulunterricht, um auf der Straße zu demonstrieren. Andere kleben sich an Asphalt fest oder an der weltberühmten Sixtinischen Madonna von Raffael. Suppe landet auf dem Schutzglas eines van Gogh.
Es könnte scheinen, als knüpften junge Menschen an prophetische Protestaktionen an: Die Bibel erzählt, im 8. Jahrhundert v. Chr. sei Jesaja drei Jahre lang nackt und barfuß gegangen – für menschenwürdige Lebensbedingungen und aus Protest gegen eine Politik, von der er befürchtete, sie werde eine Gewalteskalation herbeiführen. Heute würde er damit hinter Gittern landen oder in einer psychiatrischen Einrichtung.
Protest: Das geht zurück auf das lateinische protestari: ‚öffentlich bezeugen‘. Zweifellos ein Bestandteil christlichen Glaubens, öffentlich zu bezeugen, wofür man steht. Die christliche Gemeinde, so hieß es in einer öffentlichen theologischen Debatte, sei aber schon in ihren Grundsätzen „Protestgemeinschaft“, auch ohne Klebeaktion oder Demonstration von Nackten. Jede Gemeindearbeit sei ein Protest gegen Vereinzelung von Menschen, jede Predigt ein Appell, dass wir nicht allein sind auf der Welt und eine Berufung und Verantwortung haben.
Vor allem aber zeigt sich christliche Protestkultur darin, dass Christen gegen die Macht des Todes leben. Der Theologe Christoph Blumhardt formuliert überdeutlich: Christen sind ‚Protestleute gegen den Tod‘. Schon der Sonntag ist Zeichen eines Protests, steht er doch für ein Aussetzen von Profit- und Gewinnkultur, für eine Unterbrechung von Leistung und Kapitalinteressen. Christen sind hineingerufen in eine Protestbewegung, in der Menschen in einer Welt von Vereinzelung und Konkurrenz zu Geschwistern werden. Da stehen die Schwächsten im Zentrum und alles, was es an Menschlichkeit und Lebensgrundlagen zu schützen gilt.
Am Sonntag, dem Protesttag der Woche, feiern engagierte, lebensbejahende „Protestleute“ das von Gott geschenkte Leben und „bezeugen es öffentlich“: Eine Protestgemeinschaft.
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