„Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen!“ Diese Worte des großen Reformators Martin Luther sind legendär. Im Jahr 1521 soll er sie vor Kaiser Karl V. auf dem Reichstag in Worms gesagt haben.
Der Kaiser hatte Luther geladen und der kleine Mönch und Bibelprofessor aus Wittenberg sollte seine neue Lehre, mit der er am 31. Oktober 1517 an die Öffentlichkeit gegangen war, widerrufen. Doch das wollte er nicht. Er könne nicht gegen sein Gewissen und gegen besseres Wissen widerrufen, und so blieb Luther damals standhaft. – Mutig, mutig!
Heute, fast 500 Jahre später, wissen wir, dass Luther in Vielem vorbildhaft gehandelt hat und sich und seinen Erkenntnissen treu geblieben ist. Aber wir haben mittlerweile auch erkannt, dass er nicht allein der große Held war, wie manche Protestanten ihn sich vielleicht wünschten. Luther ist auch manche Irrwege gegangen. Er hat so manches von sich gegeben, was wir heute so nicht mehr sagen würden. Er eignet sich also nicht zum „protestantischen Heiligen“.
Dennoch bleibt Martin Luther aber meines Erachtens ein großer Denker und ein mutiger Mensch seiner Zeit. Denn er hat es gewagt, zu seiner Überzeugung zu stehen, auch wenn er dadurch Nachteile in Kauf nehmen musste. Er blieb standhaft, auch wenn er sich dadurch sogar in Lebensgefahr brachte. Ich muss zugeben, mich beeindruckt diese Standhaftigkeit.
Ich weiß nicht, wie ich in ähnlicher Situation gehandelt hätte. Ich wünschte mir, ich dürfte auch heute noch öfter solche Standhaftigkeit erleben. An mir selbst, aber auch bei anderen. Doch in vielen Bereichen des Lebens scheint solche Prinzipientreue nicht mehr gefragt zu sein.
Allzu schnell erlebe ich in Politik, Kirche und Gesellschaft, wie Menschen, die große Verantwortung tragen, unter dem Deckmantel pragmatischer Entscheidungen, ihre Meinung fast wöchentlich ändern. Mir scheint, als wären klare Standpunkte in der öffentlichen Debatte rar geworden.
Ich wünsche mir, mehr klare und standhafte Aussagen zu hören. Ich wünsche mir, ich könnte mich öfter an Meinungen reiben und gerne auch streiten – aber: um der Sache willen! Doch stattdessen erlebe ich für meinen Geschmack zu viele große Koalitionen. Ich denke, ab und an dürfte man schon Mal donnernd revolutionäre Thesen an Kirchen- oder Parlamentstüren hämmern, anstatt nur leisetretend alles zu moderieren. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Das ist mutig, das ist nicht immer bequem. Aber es ist wahrhaftig und es kann uns weiterbringen. Luther kann da ein gutes Vorbild sein. Vielleicht sollten wir es öfter einmal ausprobieren?! „Gott helfe mir. Amen.“
Pfarrer Steffen Held
Evangelische Kirchengemeinde Langen