Viel mehr als Vater, Mutter, Kind
Zur derzeitigen Debatte um Familie fällt mir folgende Geschichte ein: Sieben blinde Mönche treffen auf einen Elefanten. Später beschreibt der eine Mönch den Elefanten als Säule, ein anderer als Fächer. Der nächste ist sich sicher, dass es sich um ein ausgefranstes Seil handelt, aber auch als Wand und Speer wird der Elefant beschrieben. Jeder der Mönche ist sich ganz sicher, das Wesen des Elefanten erkannt zu haben. So – und nicht anders – ist ein Elefant. Und so – und nicht anders – hat ein Elefant auch künftig zu sein. Es lässt sich trefflich streiten. Erst der letzte Mönch erkennt, dass die Zuschreibungen seiner Brüder jeweils nur einen Teil der Wirklichkeit beschreiben, diesen gleichwohl zur Norm erheben.
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat nun den offenen Blick gewagt auf unsere Gesellschaft. In der im letzten Jahr herausgegebenen Orientierungshilfe hat er die bunte Vielfalt von gelebten Beziehungen dargestellt und klar benannt, dass Familie mehr ist, als „Vater, Mutter, Kind“. Welche Aufregung! Ich frage mich nur, warum eigentlich? Ist es wirklich so wichtig, in welcher Konstellation Menschen zusammen leben? Müssen nicht ganz andere Fragen viel dringlicher gestellt werden, wie zum Beispiel: Sorgen die Erwachsenen angemessen für die bei ihnen lebenden Kinder? Lieben und achten die Partner/- innen einander? Werden die Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder gleichermaßen gesehen und nach Möglichkeit erfüllt? Gibt es Harmonie und Zusammenhalt? Verlässlichkeit, auch über schwierige Phasen des Lebens hinweg?
Familienbildung hat den Auftrag, Menschen auf ihrem Lebensweg zu begleiten und zu unterstützen. Dabei dürfen wir uns nicht von der Frage leiten lassen, ob sie in der „richtigen“ Familienform leben. Und das nicht nur, weil der Gesetzgeber mittlerweile die grundsätzliche Bedeutung von Familienbildung festgeschrieben hat. Evangelische Familienbildung versteht sich darüber hinaus immer auch als Teil der Mission Gottes, der über unser Handeln Menschen seine Zuwendung und seinen Zuspruch erfahren lässt.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit in und mit ihrer Familie.
Angela Ruland
Leiterin der Evangelischen Familienbildung im Kreis Offenbach
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