Grußordnungen
von Pfarrerin Leonie Krauß-Buck,
Evangelische Kirchengemeinde Seligenstadt und Mainhausen
Monatsspruch Februar 2017:
»Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus.«
(Lukas-Evangelium, Kapitel 10, Vers 5)
„Was machst Du, wenn die Tante kommt? Welches ist die „schöne“ Hand?“ Die Stimme meiner Eltern habe ich auch nach fünfzig Jahren immer noch im Ohr. Meine rechte Hand geht nach vorn, und ich sage inzwischen laut und deutlich und mit festem Händedruck „ Guten Tag“. Den Knicks von damals habe ich mir wieder abgewöhnt, aber ich kann die Bewegung jederzeit abrufen.
In dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, gibt es eine klare und eindeutige Grußregelung. Das schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Der respektvolle Umgang wird gepflegt, und man erfährt, an welcher Stelle der Dorfhierarchie man verortet wird.
Die Jungen grüßen zuerst die Alten, die Kinder selbstverständlich die Erwachsenen, die Fremden die Einheimischen, die Unwichtigen die Wichtigen… Auf der Straße, im Lebensmittelladen, in der Turnhalle - überall gilt diese Regel. Sie ist mir so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich während des Studiums in der Großstadt große Mühe hatte, damit nicht einfach weiter zu machen.
In der Stadt, in der ich nun lebe, habe ich mit den Jahren eine neue Grußordnung entwickelt. Ich grüße zuerst. Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, rufe ich als erste „ Guten Tag“, ob ich nun Älteren oder Jüngeren begegne, ob ich jemanden meiner Kirchengemeinde zuordnen kann oder nicht.
Ich will den Menschen, die mir begegnen, im Vorbeifahren wünschen, dass sie einen guten Tag haben. Ich will ihnen zeigen, dass ich ihnen diesen Tag nicht unnötig schwer machen will.
Manchmal stifte ich damit Verwirrung. Aber wer mir zum zweiten Mal begegnet, weiß schon, was auf ihn zukommt, und manche sind schneller als ich.
Mit meinem Gruß zeige ich, ich hege friedliche Absichten und bitte darum, dass auch mir friedlich begegnet wird. Manches längere Gespräch hat sich aus einem kurzen Wort ergeben, eine respektvolle Begegnung.
Von Jesus wird erzählt, dass er eines Tages siebzig Jünger losschickt, die ihm zu zweit vorausgehen sollen. Ihr Auftrag ist, die Lage zu sondieren. Da, wo ihr Gruß freundlich erwidert wird, ist alles gut. Da wo man ihnen unfreundlich begegnet, sollen sie den Friedensgruß „wieder mitnehmen“. Diesen Ort wird Jesus eher meiden.
Das ist also die Grußordnung Jesu, wie sie im Lukasevangelium überliefert und Losung für den Monat Februar ist. Aus ihr ist auch zu erfahren, dass Jesus nicht immer bereit gewesen ist, sich in unangenehmen Situationen zu bewegen, sondern dass er, wie die meisten von uns, erst einmal Menschen aufsuchte, die ihm mit Respekt und guten Absichten begegneten.
Menschen, die „keinen Umgang“ haben, sind scheinbar für die Herausforderungen, die Gottes Gegenwart mit sich bringt, nicht gut vorbereitet - nicht weil sie schlecht erzogen wären, sondern weil ihnen vielleicht der Blick für das Gegenüber fehlt.
Meine Grußordnung ist eine wichtige Orientierung für mich. Wer meinen Gruß nicht erwidert, von dem halte ich mich erst einmal fern. Der muss noch einmal anders anfangen, mein Vertrauen zu gewinnen, falls er das möchte.
Die Freiheit nehme ich mir, nicht für alle gleichermaßen aufgeschlossen zu sein, und die Freiheit, als Protestantin in jeder Begegnung meine eigene Hierarchie zu manifestieren, ganz nach dem reformatorischen Motto : Ich bin ein freier Christenmensch und keinem Menschen untertan - ich bin frei und damit jedem Menschen untertan.
Also „Friede Deinem Haus!“ und „Guten Tag!“
Ihre
Leonie Krauß-Buck
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken