Von Fliegen und Bienen
Warum Klatsch und Tratsch den sozialen Frieden untergräbt
von Pfarrer Axel Mittelstädt, Evangelische Emmausgemeinde Jügesheim
»Macht darum Schluss mit allem, was unrecht ist! Hört auf zu lügen und euch zu verstellen, andere zu beneiden oder schlecht über sie zu reden.«
1. Petrus-Brief, Kapitel 2, Vers 1
Klatsch und Tratsch gehören zum gesellschaftlichen Leben. Würde die Menschheit auf einen Schlag damit aufhören, würden viele Zeitungsseiten leer bleiben und der Austausch über soziale Medien sich doch sehr reduzieren. Aber was wäre das plötzlich für eine wunderbare Welt, in der nur noch Positives über andere gesagt und mit Negativem umsichtig und gerecht umgegangen würde, ohne jemanden gleich in die Ecke stellen und beschämen zu wollen?
Wie schnell wird nicht nur geurteilt, sondern auch verurteilt. Daraus entsteht Misstrauen. Was wird der andere oder die andere über mich sagen, wenn ich nicht dabei bin? Kein Mensch ist vollkommen, jeder und jede ist angewiesen auf Wohlwollen. Das merke ich besonders dann, wenn ich selbst mal in die Situation gerate, bei anderen Menschen ins Gerede zu kommen.
Der Mönch Paisios vom Athos wurde mal gefragt, wie man damit umgehen kann, wenn über andere schlecht geredet wird. Er gab folgende gewitzte und zum Nachdenken anregende Antwort darauf:
„Ich weiß aus Erfahrung, dass in diesem Leben die Menschen in zwei Klassen geteilt sind. Einen dritten Bereich gibt es nicht. Die eine Gruppe von Menschen ähnelt der Fliege. Die Haupteigenschaft der Fliege liegt darin, dass sie von Dreck angezogen wird. Wenn sich beispielsweise eine Fliege in einem Garten voll von Blumen mit verschiedenen Duftnoten befindet, wird sie diese nicht beachten und sich auf die Spitze von einem Dreckhügel setzen. Sie wird sich damit ausgiebig beschäftigen und fühlt sich sauwohl, umgeben von dem fürchterlichen Gestank. Wenn diese Fliege sprechen könnte und du würdest sie darum bitten, dir eine Rose in dem Garten zu zeigen, dann würde sie Folgendes antworten: ‘Ich weiß noch nicht einmal, wie eine Rose aussieht. Ich kenne mich nur darin aus, wo man Müll, Toiletten und Dreck finden kann.’ Es gibt Menschen, die ähneln einer Fliege. Menschen, die zu dieser Sorte gehören, haben gelernt, negativ zu denken. Sie schauen immer nur auf die schlechten Sachen im Leben, die Anwesenheit des Guten dagegen übersehen sie und weisen sie ab.
Die zweite Gruppe von Menschen ist wie die Biene, deren Haupteigenschaft darin besteht, immer nach dem Platz zu schauen, wo es süß und schön ist. Wenn sich eine Biene in einem Raum befindet, der voll ist von Schmutz, aber in der Ecke befindet sich ein Stückchen Süßes, dann wird sie den ganzen Dreck gar nicht weiter beachten und sich auf die Süßigkeit setzen. Nun, wenn wir die Biene darum bitten würden, uns zu zeigen, wo der Müll sich befindet, dann wird sie antworten: ‘Ich weiß es nicht. Ich kann dir nur sagen, wo Blumen, Süßigkeiten, Honig oder Zucker zu finden sind. Denn eine Biene wie ich kennt nur die guten Sachen im Leben und die schlechten übersehe ich.’ Dies ist also die zweite Sorte von Menschen, welche positiv denken und nur die gute Seite von allem sehen. Immer liegt ihr Bestreben darin, das Böse zuzudecken um ihre Mitmenschen zu beschützen, währenddessen die erste Klasse von Menschen versucht, das Böse zu entblößen und an die Oberfläche zu spülen.
Wenn jemand zu mir kommt und anfängt, andere Menschen zu beschuldigen und schlecht zu machen, dann bringt mich das in eine schwierige Situation. Deshalb erzähle ich ihm oder ihr dann das obige Beispiel. Anschließend frage ich, zu welcher Sorte von Menschen er gehören möchte, um die passenden Menschen zu finden, mit denen er gut zusammenleben kann.“
Paisios hat ein wunderbares Bild dafür gefunden, was in der in der Bibel kurz und knapp so ausgedrückt wird: „Macht darum Schluss mit allem, was unrecht ist! Hört auf, … andere zu beneiden oder schlecht über sie zu reden.“ (1. Petrus 2,1 nach der Gute-Nachricht-Übersetzung).
Mich haben die Worte von Paisios vor die Frage gestellt: Was will ich eigentlich sein: Fliege oder Biene? Ich habe mich dafür entschieden, lieber Biene zu sein und immer nach dem Positiven Ausschau zu halten – selbst in Situationen, in denen scheinbar das Schlechte überwiegt. Wie die Biene nach Süßem so will ich dann so lange suchen, bis ich das Gute entdeckt habe – und Sie?
Mit dieser Frage grüßt Sie herzlich Pfarrer Axel Mittelstädt aus der Evangelischen Emmausgemeinde Rodgau-Jügesheim
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken