Dekanat Rodgau

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote des Dekanates Rodgau zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

    AngeboteÜbersicht
    Menümobile menu

    Eine Ironie der Geschichte

    von Pfarrerin Sabine Beyer, Evangelische Emmausgemeinde Jügesheim

    Monatsspruch Juni 2016:
    „Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden.“ (2. Buch Mose, Kapitel 15, Vers 2)

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    als ich Ende Mai die Zeitungsnotiz zum Tod Margot Honeckers las, begann ein Film in meinem Kopf abzulaufen: Eine Traube Menschen umringt ein DDR-Auto, schlägt wutentbrannt mit den Fäusten auf die Motorhaube, will die Insassen herauszerren. Darinnen sitzen Erich und Margot Honecker.Fallen der ehemalige Staats- und Parteichef und seine Volksbildungsministerin der Lynchjustiz zum Opfer?

    Nein, das Ehepaar wird gerettet, und es ist eine Ironie der Geschichte: Sie erhielten Asyl bei Pfarrer Uwe Holmer, damals Leiter einer Sozialeinrichtung für Obdachlose. Zehn Wochen lang gewährt er Unterkunft, obwohl keines seiner Kinder zu DDR-Zeiten studieren durfte. Persönlich erzählte er mir, wie angespannt die Situation beim Tischgebet vor dem Essen war. Während der 77 Jahre alte, sterbenskranke Honecker sich einfügte, verharrte seine Frau Margot in versteinerter Miene. Sie blieb die Ideologin, die den verpflichtenden Wehrkundeunterricht in den Schulen eingeführt hatte – ungeachtet des Protestes der Kirchen in der DDR.

    Von wegen „Des Brot ich ess, des Lied ich sing“. Versorgt mit Lebensmitteln durch Tochter Sonja Honecker Yanez richtete sich das Ehepaar unterm Dach eine Kochnische ein; sie wollten sich nicht bedienen lassen. Erich Honecker soll sich täglich an der frischen Luft bewegen, traute sich aber kaum, ums Haus zu spazieren. Aus Furcht vor Journalisten, die ein Bild erhaschen wollten. Aus Furcht vor Menschen, die in Sprechchören brüllen: „Honi muss weg, wir wollen keine Dreck“ oder „Honi nach Bautzen“.

    Später widmet Enkel Roberto Yanez dem verstorbenen Großvater ein Lied. Darin verzeiht Gott Honecker, weil er keine Massaker angeordnet hat.

    Wir wissen nicht, wem Gott im Gericht Gnade und Erbarmen widerfahren lassen wird. Wir wissen jedoch, dass die bundesdeutsche Rechtsgeschichte ein gnädiges Urteil geschrieben hat: Das Ehepaar Honecker durfte seine restlichen Tage unbehelligt im chilenischen Exil verbringen. So manches DDR-Regimeopfer mag dies als schallende Ohrfeige auf die andere Wange empfunden haben.

    Diese Seite:Download PDFDrucken

    to top