Zuversicht kann abfärben.
von Pfarrerin Sandra Scholz, Evangelisches Dekanat Rodgau und Evangelische Kirchengemeinde Heusenstamm
„Wir haben Anteil an Christus, wenn wir die Zuversicht von Anfang bis Ende festhalten.“
(Hebräer-Brief, Kapitel 3, Vers 14)
„Mensch!“ sagt Ahmed meist als erstes, wenn er montags zum Begegnungscafé kommt. Wer ihn noch nicht getroffen hat, ist über diese Form der Begrüßung ein bisschen verwundert. Nicht so sind es die anderen, denn es ist klar, was dran ist. Zielsicher zieht er das Mensch-ärger-dich-nicht-Spiel aus dem Spielestapel hervor und los geht es. Mitspieler werden gesucht, Püppchen und Würfel verteilt und sein Gesicht leuchtet dabei vor Freude.
Oft geht es Ahmed dabei nicht schnell genug, so dass er mir immer wieder den Würfel mit Schwung vor die Nase legt und mir auffordernd zunickt. Mangels gemeinsamer Sprache ist die Unterhaltung holprig, doch wir verstehen uns und lachen viel. Ahmed ist kein junger Mann mehr und während ich mich bemühe, auch mal eine sechs zu würfeln, frage ich mich, was er gemacht hat, als er noch im Iran lebte und warum er hier ist. Doch für schwere Fragen ist bei „Mensch“ wenig Platz.
Vor einer Weile fiel mir eine Karte mit einem Vers aus dem Hebräerbrief in die Hand: „Denn wir haben Anteil an Christus, wenn wir die Zuversicht von Anfang bis Ende festhalten.“
Ahmed trägt eine Kette mit einem Kreuz und ich erlebe an diesem Nachmittag, wie es aussehen kann, wenn ein Mensch an der Zuversicht mit beiden Händen fest hält; nicht an der Zuversicht, der alleinige Gewinner zu werden, sondern an der Zuversicht, es miteinander gut zu haben, Freude zu teilen und zusammen ans Ziel zu kommen. Ahmeds Freude färbt auf uns ab, unsere Herzen werden leichter, denn unser Zusammenspiel „Mensch“ gelingt und bringt uns zusammen.
Frauen und Männer aus dem Iran, Afghanistan, Eritrea und vielen anderen Ländern sind auf ihrer Flucht bei uns angekommen. Ihre Quellen von Glauben und Hoffnung sind verschieden, doch sie alle teilen diese Zuversicht, denn sie hat ihnen die Kraft gegeben, trotz vieler Hindernisse immer weiter zu gehen. Mit aller Kraft haben sie an der Zuversicht zu leben festgehalten.
An diesem Nachmittag denke ich: vielleicht ist genau das auch ein Geschenk von ihnen an uns, die wir seit gut 70 Jahren in einem friedlichen und sicheren Land leben: den Blick weniger auf die Sorgen des Alltags und mehr auf Leben und Hoffnung zu richten. Ahmed lehrt mich an diesem Nachmittag einen solchen Blickwechsel, denn wie gesagt: voll Zuversicht und Freude geht es einfach um den „Mensch.“
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