Jesus war ein guter Mann
von Pfarrerin Leonie Krauß-Buck,
Evangelische Kirchengemeinde Seligenstadt und Mainhausen
Liebe Leserin, lieber Leser!
"Jesus war ein guter Mann, der hatte einen Umhang an,
Jesus war ein flotter Typ, den hatten alle Leute lieb."
Als das Duo „ Die Doofen“ Mitte der Neunziger Jahre erfolgreich mit diesem Lied in ganz Deutschland auftrat, konnte man sich herzlich über den Nonsens amüsieren. Das schlichte Bild, das von Jesus von Nazareth gezeichnet wurde, passte hervorragend zum schlichten Namen der Band, und alle wussten das.
Dass sich hinter den „Doofen“ dazu noch ausgesprochen kluge satirische Köpfe verbargen, verstärkte den Unterhaltungswert.
Wer hätte gedacht, dass wenige Jahre später eine erschreckend große Zahl von Menschen in ihrer Auskunftsfähigkeit über den bezeugten Christus nicht mehr über dieses Niveau hinauskommt.
Wer war dieser Jesus von Nazareth, der später Christus genannt wurde? Was machte sein Auftreten so einzigartig und überzeugend, dass sich Menschen zu ihm bekannten, über alle Grenzen und Hindernisse hinweg, so, dass das Christentum inzwischen die Religion auf der Welt ist mit den meisten Anhängerinnen und Anhängern?
Was bedeutet es heute, sich zu ihm zu bekennen?
Wie groß mag der Bruch sein zwischen der Zeit, in der seine größten Widersacher bekannten: „Wahrlich, er ist der Sohn Gottes gewesen!“ und der Zeit, in der Menschen zu Jesus nur noch einfällt, er sei nett gewesen und hätte sich um die Außenstehenden gekümmert, eine Kombination aus Winnetou und Biene Maja, wenn man es drastisch formuliert.
Ein renommiertes Wochenmagazin, welches sich selbst als religionskritisch bezeichnet, scheint das auch so zu sehen und kündigt regelmäßig, meist zu Ostern und Weihnachten, neue Enthüllungen und Erkenntnisse zur Jesusforschung an.
Das Jesusbild, das dort transportiert wird, mag etwas inhaltsschwerer als das der „Doofen“ sein, aber zum einen sind die „neuesten“ Erkenntnisse des Magazins gewöhnlich seit mindestens dreißig Jahren in unseren Predigten berücksichtigt, und zum anderen scheint auch die kritische Berichterstattung dem vorherrschenden Jesusbild keinen Abbruch zu tun.
Der Sohn Gottes wird in diesen Tagen nun einmal problemlos in das Selbstoptimierungsprogramm moderner Menschen eingebaut. Er dient als Verkörperung selbstloser Ideale, die man schätzt, aber für nicht umsetzbar hält, als Vertreter eines guten Gewissens (man ist auf alle Fälle auf der richtigen Seite) und als Schutzengel in bösen Tagen.
Was müssen sich für Abgründe aufgetan haben bei dem römischen Hauptmann und seinen Soldaten am Berg Golgatha als sie eben noch die Hinrichtung eines Verbrechers beaufsichtigten und für eine ordnungsgemäße Durchführung der Kreuzigung sorgten - und im nächsten Moment verstehen mussten, dass dieser Jesus von Nazareth tatsächlich in engster Verbindung zu Gott steht.
Ihr Bekenntnis konnte nichts anderes bedeuten, als dass sich ihr Leben grundlegend verändern musste. Jesus nachzufolgen bedeutete völlige Hingabe an den Gedanken der Nächstenliebe, ein tätiges Wirken für Frieden und Gerechtigkeit, ein radikales Überwinden von Denkmustern, von Mauern, die Menschen untereinander aufrichten, eine Erschütterung in den bisherigen Grundfesten.
Wenn Jesus heute wiederkäme - vielleicht wäre er ein flotter Typ und alle hätten ihn lieb. Ich wäre dann allerdings enttäuscht. Denn ich fürchte, aber hoffe auch gleichzeitig, dass er mich aus meiner Selbstgefälligkeit und Bequemlichkeit aufstören würde - und bin mir nicht sicher, ob ich ihn dann noch lieb hätte.
Mit diesen Gedanken gehe ich in die kommenden Tage. Die Karwoche zu erleben und Ostern zu feiern wird hoffentlich manches klären und nicht nur eine Herausforderung sein. Ich werde mich auch danach immer wieder fragen lassen müssen: Wo in deinem Leben erkennen andere, dass du dich zu Jesus Christus, dem Sohn Gottes bekennst?
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch ein gesegnetes Auferstehungsfest!
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