Leben als Hauptberuf
von Pfarrerin Kathrin Lübke, Evangelische Kirchengemeinde Hainburg und Kinder- und Jugendpfarrerin des Evangelischen Dekanats Rodgau
Liebe Leserin, lieber Leser,
In den Sommerferien ticken die Uhren ein bisschen anders als sonst. Da haben die Tage mehr Ruhe. Es gibt Freiheiten, die es sonst nicht so einfach gibt und mehr Spielraum, was wir mit unserer Zeit machen können.
Die Sommerwochen lassen Luft für manches, was im Alltag leicht zu kurz kommt: Besuche bei Freundinnen und Freunden. Spaziergänge in der Natur. Oder einfach den Gedanken nachhängen.
Sie tun gut, diese Zeiten, in denen es weniger Zwänge gibt.
Und vielleicht spüren wir gerade jetzt klarer als sonst, was wir eigentlich brauchen, um zufrieden zu sein. Was wir uns vom Leben wünschen. Und auch, was uns in unserem Alltag einengt.
Mir kommt Matthias Claudius in den Kopf, der Dichter des Abendliedes „Der Mond ist aufgegangen…“ In diesem Jahr wurde an ihn erinnert, weil es zwei Gedenktage gab: Der 21. Januar war sein 200.Todestag, der 15. August sein 275. Geburtstag.'
Was mich an Matthias Claudius beeindruckt, ist die innere Freiheit, mit der er durchs Leben gegangen ist und die in seinem Gottvertrauen verankert war.
Er besaß eine starke Wahrnehmung dafür, was ihm wirklich wichtig war – und auch, worauf er verzichten konnte. Und er hat durch manche ungewöhnlichen Entscheidungen zu der Lebensweise gefunden, die ihn zufrieden machte.
Für Matthias Claudius, den Journalisten und Dichter, war z.B. berufliche Unabhängigkeit ein hohes Gut und zählte für ihn mehr als eine gesicherte Anstellung. Dass Zeit zu seiner freien Verfügung blieb, bedeutete ihm mehr als Ansehen und Titel. Als er einmal eine Beamtentätigkeit angenommen hatte, die ihm einige Sicherheit bot, gab er sie schon wenig später wieder auf. Stattdessen arbeitete er u.a. als freier Schriftsteller, Übersetzer, Privatlehrer und Hausmann. Die finanzielle Situation blieb für ihn und seine Familie zeitlebens angespannt.
Sein „Besitz“ waren stattdessen Freiheit und Zeit für die Menschen und die Beschäftigungen die ihm wichtig waren: Er war mit Leib und Seele Familienvater. Er pflegte gute Freundschaften und den geistigen Austausch mit anderen Denkern seiner Zeit. Auch die tätige Nächstenliebe hatte einen Platz in seinem Leben. Diese Dinge waren ihm wichtig. Den Mut und die „Sorglosigkeit“ zu einem solchen Leben schöpfte er aus einem tiefen Gottvertrauen, wie es auch in seinen Texten zum Ausdruck kommt.
Eine Biographie hat den Titel: „Matthias Claudius oder Leben als Hauptberuf“(von R. Görisch) - und bringt damit diese Lebenseinstellung auf den Punkt.
Leben als Hauptberuf – vielleicht kann dieses Motto auch bei uns selbst etwas in Bewegung bringen. Gerade das Ende der Ferienzeit macht uns sensibel dafür, welche Dinge, die uns wichtig sind, in unserem Alltag zu kurz kommen. Wir erleben vieles in unserem Tagesablauf als festgelegt.
Aber vielleicht haben wir tatsächlich mehr Freiheit als wir denken. Und vielleicht entdecken wir ja, im Kleinen und um Großen, doch ungeahnte Spielräume - wenn wir danach suchen!
Ich wünsche Ihnen gesegnete Spätsommertage,
Pfarrerin Kathrin Lübke, Hainburg
„Täglich zu singen“:
Ich danke Gott und freue mich/ wie's Kind zur Weihnachtsgabe,
Dass ich bin, bin! Und dass ich dich/ schön menschlich Antlitz! habe,
Dass ich die Sonne, Berg und Meer/ und Laub und Gras kann sehen
Und abends unterm Sternenheer/ und lieben Monde gehen,
Und dass mir dann zu Mute ist/ als wenn wir Kinder kamen
Und sahen, was der heilge Christ bescheret hatte, Amen!
Ich danke Gott mit Saitenspiel, dass ich kein König worden;
Ich wär geschmeichelt worden viel und wär vielleicht verdorben.
Auch bet ich ihn von Herzen an,/ dass ich auf dieser Erde
Nicht bin ein großer, reicher Mann/ und auch wohl keiner werde.
Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht/ hat mancherlei Gefahren,
Und vielen hat's das Herz verdreht/ die weiland wacker waren.
Und all das Geld und all das Gut gewährt zwar viele Sachen.
Gesundheit, Schlaf und guten Mut kanns aber doch nicht machen.
Und die sind doch, bei Ja und Nein ein großer Lohn und Segen.
Drum will ich mich nicht groß kastei´n des vielen Geldes wegen.
Gott gebe mir nur jeden Tag soviel ich brauch zum Leben
er gibt’s dem Sperling auf dem Dach; wie sollt ers mir nicht geben?
(Matthias Claudius)
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