Dekanat Rodgau

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    Der dritte Wirt

    von Pfarrer Martin Diehl, Evangelische Kirchengemeinde Egelsbach

    Lena darf der Wirt sein, der Herz hat. „Im Stall ist Platz. Bei Ochs und Esel. Heu und Stroh gibt es da auch. Da könnt Ihr Euch hinlegen.“ Es war Lena wichtig gewesen, erst mal zu zögern. „Weißt du, Martin“, hatte sie gesagt, „ich kenne die Leute doch gar nicht. Ich weiß doch nicht, dass das Maria und Josef sind“. 

    Ja, das stimmt, habe ich bei mir gedacht. Wir kennen die Leute nicht. Die Obdachlosen, die in der Kälte irgendwo draußen liegen. Wenn sie Glück haben, finden sie ein trockenes Plätzchen in der B-Ebene oder im Eingang eines Kaufhauses. Für ein paar Stunden. Und ich musste an den erwachsenen Jesus denken, der sagte: „Ich war ein Fremder, und ihr habt mich als Gast aufgenommen.“

    Lena hatte dann eindringlich mit Denise geredet. Das war die Maria. „Du darfst nicht lächeln, wenn du zu mir kommst“, hatte Lena gesagt. Du musst fertig aussehen. Total kaputt. Du bist lange gelaufen. Und hochschwanger.“ Und so war es dann auch: Denise sah aus, als würde sie gleich zusammenbrechen. Und als Lena sagte: „Alles voll, bis unters Dach“, da konnte ich sehen, wie Denise innerlich in sich zusammenfiel. Sie spielte das absolut großartig. Und Lena schaute sich diese Maria an. Von unten nach oben. Erst den dicken Bauch und dann das müde und verzweifelte Gesicht. Es waren nur Sekunden, aber es kam uns allen endlos lange vor, bis der dritte Wirt schließlich sagte: „Im Stall ist Platz.“

    Das alles ist schon Jahre her. Lena, Denise und die anderen sind längst erwachsen. Aber ich bin sicher, sie haben das mitgenommen. Das Zögern. Und das offene Herz. Da ist noch Platz. Ich weiß nicht, wie es Lena geht, wenn sie die Bilder von Flüchtlingen an der polnischen Grenze sieht. Hinter Stacheldraht und bei Novemberkälte von Wasserwerfern durchnässt.

    Ich stelle mir vor, dass Lena zögert. Was sind das für Menschen? Warum können die nicht im Irak bleiben? Wir haben hier doch schon genug Probleme. Aber dann wird Lena sich an das Krippenspiel erinnern. An ihre Rolle als dritter Wirt. Und sie wird wissen: Es muss eine andere Lösung geben, als Maria wegzuschicken.

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