Wer die Wahl hat...
von Pfarrerin Kornelia Kachunga,
Evangelische Kirchengemeinde Obertshausen
»Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR.«
Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 55, Vers 8
Dieses Jahr ist Wahljahr! Gerade jetzt, wo wir durch die Corona-Pandemie in vielen Bereichen unseres Lebens stark eingegrenzt werden, so haben wir doch bei Wahlen die Möglichkeit, das gesellschaftliche Leben mitzugestalten. Das ist eine große Errungenschaft vergangener Generationen und ein wichtiges - wenn nicht sogar das wichtigste - Merkmal einer Demokratie. Dieser Tatsache sollten wir uns immer bewusst sein!
Dieses Jahr standen und stehen besonders viele Wahlen an: Wahlen im fusionierten Dekanat Dreieich-Rodgau, Kommunalwahlen, Landtagswahlen, die Bundestagswahl und... ja, auch neue Kirchenvorstände werden am 13. Juni in unserer Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gewählt.
Ich glaube allerdings, so wichtig wie es ist, dass wir das gesellschaftliche und kirchliche Leben mitgestalten, so zurückhaltend sollten wir mit der Bewertung von Wahlen umgehen. Manchmal gewinne ich das Gefühl, dass die Medien (und manche Wählende bzw. Kandidierende) einer Wahl so viel Gewicht geben, als ginge es um Leben und Tod, um ein grundsätzliches Ja oder Nein zur Persönlichkeit der Kandidierenden. Dabei kann doch jede/r ihren/seinen Beitrag leisten, egal ob man für eine bestimmte Position gewählt wird oder nicht.
Darum möchte ich heute einmal einen anderen Blickwinkel zur Wahl einnehmen, insbesondere denen gegenüber, die am 13. Juni nicht gewählt werden:
Kann es zum Beispiel sein, dass ein/e Wähler/in jemanden auch mal nicht wählt, weil er/sie es gut mit der Kandidatin / dem Kandidaten meint? Kann es sein, dass Gott zulässt, dass jemand nicht gewählt wird, weil er etwas Besseres und Anderes für diese Person im Sinn hat? Und kann es sein, dass eine Niederlage unseren Charakter schleift und für manch einen gar nicht so schlecht ist? Kommt es nicht auch manchmal vor, dass die Person, die gewählt wird und den Sieg davonträgt, es hinterher vielleicht sogar bereut, weil unbearbeitete Konflikte ans Licht kommen oder eine große Herausforderung zu Beginn der Amtszeit zur Belastungsprobe wird?
In der Bibel gibt es auch viele Wahlen und Berufungen. Nicht immer so mächtig und ergreifend wie bei Mose, Jesaja oder Petrus. Oft eher pragmatisch durch das Los. Wer hätte etwa gedacht, dass der Nachfolger für den Jünger Judas nach Pfingsten (immerhin geht es um den legendären Kreis der Apostel, der engsten Freunde Jesu) per Losentscheid gewählt wird (Apostelgeschichte 1, 15-26)? Später hört man dann allerdings nur noch wenig von Matthias. Viel berühmter wird Paulus, ein früherer Christenverfolger! Eigentlich unglaublich, oder?
Wir haben unsere Sicht der Dinge. Wir legen viel Wert auf Wahlen, vor allen Dingen, wenn wir selbst kandidieren. Wir haben Angst vor Niederlagen und wünschen uns Ansehen und Bestätigung.
Gott hat aber oft eine andere Sicht. Im Buch des Propheten Jesaja heißt es:
„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR.“
(Kapitel 55, Vers 8).
Gott schreibt sogar auf krummen Wegen gerade, sagt der Volksmund. Auch unsere Umwege weiß er für sich und seinen Plan zu nutzen.
Darum wünsche ich allen, die in diesem Jahr für ein bestimmtes Amt gewählt (oder eben auch nicht gewählt) werden, zwar den nötigen Ernst bei der Sache, aber gleichzeitig auch ein Augenzwinkern, wenn es anders kommt als erwartet. Gott weiß den Weg für dich!
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